Lehren aus dem BFH-Urteil zur zolltariflichen Einordnung von Kirschkernkissenbezügen (BFH vom 16. April 2024, VII R 11/21)
Es verursacht auf den ersten Blick Kopfschütteln und lädt zum Verfassen einer bissigen Glosse ein, wenn hochqualifizierte BFH-Richter über die zollrechtliche Einordnung von Kirschkernkissenbezügen in der Form stilisierter Tierköpfe urteilen. Zumindest unter Zuhilfenahme von Co-Pilot, ChatGPT o.ä. wäre ein böser Text („Haben die denn nichts Besseres zu tun?“) auch schnell und fast von selbst verfasst.
Einer solcher Wallung nachzugeben, ginge aber in verschiedener Hinsicht am Kern der Sache vorbei: Zugegebenermaßen entspricht die Materie nicht unbedingt dem, was sonst den in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Gegenstand der BFH-Rechtsprechung ausmacht. Den VII. Senat mit seinen Zuständigkeiten für Zölle/Verbrauchssteuern, Marktordnung, Steuerberatungsrecht und allgemeines Abgabenrecht gibt es jedoch nicht ohne Grund. Zudem demonstriert das Verfahren die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit und die Notwendigkeit ausgewogenen rechtlichen Gehörs. Es bedurfte nämlich erst einer Nichtzulassungsbeschwerde, um die erstinstanzliche Entscheidung des FG Hamburg einer Revision zugänglich zu machen.
Die Frage nach der zutreffenden zolltariflichen Einordnung war für den klagenden Steuerzahlenden schließlich mit Sicherheit von Bedeutung. Demgegenüber ist der Erkenntnisgewinn aus der Einordnung der Kirschkernkissenbezüge als „andere […] konfektionierte Spinnstoffwaren“ und damit weder als „Spielzeuge“ noch als „Bettausstattung“ für die meisten Leser des Urteils wohl eher nebensächlich. Mit einem gewissen Schmunzeln angesichts der anschaulichen Beschreibung des Streitgegenstands sowie der juristischen Beurteilung kann man die Ausführungen dennoch lesen und sich dabei daran erfreuen, wie plastisch-handfest BFH-Entscheidungen zum Abgabenrecht gelegentlich sind. So schön kann es sein.
Andererseits: Das Urteil zeigt exemplarisch, in welcher Detailtiefe das Steuer-/Zollrecht heute bearbeitet, ja gelebt wird. Ob ein Zoll- und Steuersystem, das sich im Ergebnis nur aus der Kenntnis von Einzelfällen erschließt, einem modernen, digitalen Staatswesen gerecht werden kann, muss bezweifelt werden. Der Leichtigkeit des globalen Handels ist es jedenfalls offenkundig nicht zuträglich, wenn ein Geschäft aus dem Jahr 2016 erst im Jahr 2024 zollrechtlich abschließend durch den BFH beurteilt wird, nachdem der Steuerpflichtige, die Finanzverwaltung und das FG Hamburg offenbar jeweils eine eigene Auffassung zur tariflichen Einordnung hatten.