Für die Gewährung der deutschen Tonnagebesteuerung ist es erforderlich, dass die Bereederung im Inland erfolgt. Wann dies der Fall ist, hat der BFH in einem gerade veröffentlichten Urteil vom 6. Juni 2024 (IV R 15/21) entschieden. Dabei stellt der BFH sehr hohe Anforderungen: Zum einen muss das Management des Schiffsbetriebs, d. h. die Geschäftsbesorgung in technischer, kommerzieller und personeller Hinsicht fast ausschließlich im Inland erfolgen. Zum anderen ist der Einsatz von ausländischen Dienstleistern bei Erbringung dieser Leistungen u. U. schädlich. Das Urteil macht eine umfassende Überprüfung des Geschäftsmodells deutscher Shipmanagement-Gesellschaften erforderlich.
Der Fall
Eine deutsche GmbH & Co. KG betrieb ein Seeschiff im internationalen Verkehr und hatte hierzu das Schiff bereits vor dem Streitjahr an einen ausländischen Unternehmer zeitverchartert. Die GmbH & Co. KG hatte mit einem deutschen Unternehmen einen Bereederungsvertrag abgeschlossen. Dieser Bereederer hatte wiederum diverse Unterverträge mit ausländischen Gesellschaften abgeschlossen (vgl. nachfolgende Skizze):
Das BFH-Urteil
In Übereinstimmung mit dem vorangehenden Urteil des Niedersächsischen FG zu dem Fall versagt der BFH die Tonnagebesteuerung. Die Bedeutung des Urteils geht allerdings weit über den entschiedenen Einzelfall hinaus. Die wesentlichen Punkte des Urteils sind die Folgenden:
- Noch strenger als das FG will der BFH die Tonnagebesteuerung sogar nur dann gewähren, wenn die Bereederung fast ausschließlich im Inland erfolgt. Dies stimmt mit der Auffassung der Finanzverwaltung im sog. Tonnagesteuererlass überein.
- Als Bereederung versteht der BFH das Management des Schiffsbetriebs in technischer, kommerzieller und personeller Hinsicht, wobei grundsätzlich auf die (allerdings weder abschließende noch überschneidungsfreie) Auflistung von Tätigkeiten im Tonnagesteuererlass abgestellt werden kann. Dabei ist der Ort der Bereederung dort, wo die maßgeblichen Managemententscheidungen getroffen werden und deren Durchführung bzw. Umsetzung überwacht wird.
Wann die Bereederung (zumindest fast ausschließlich) im Inland erfolgt, kann nach Auffassung des BFH zwar nur unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Allerdings kommt nach Auffassung des BFH regelmäßig
- dem technischen Management
- der Befrachtung
- der Bemannung des Handelsschiffs mit Kapitän und Offizieren
besondere Bedeutung zu: Sofern einer dieser Tätigkeitsbereiche mindestens zu wesentlichen Teilen nicht im Inland durchgeführt werde, sei hieraus in der Regel auf eine nicht fast ausschließlich inländische Bereederung zu schließen.
- Der BFH gelangt schließlich in äußerst detaillierter Sachverhaltsdarstellung und -analyse zu dem Ergebnis, dass im Urteilsfall durch die schädliche weitreichende Einschaltung ausländischer Dienstleister (vgl. obenstehende Skizze) im Urteilsfall nicht von einer fast ausschließlich inländischen Bereederung ausgegangen werden könne.
Zusammenfassende Empfehlungen
Schifffahrtsgesellschaften, die von der deutschen Tonnagesteuer Gebrauch machen, sollten vor dem Hintergrund des neuen BFH-Urteils die Verhältnisse bei ihrem Bereederer überprüfen (lassen) und dabei ausdrücklich in ihre Überlegungen einbeziehen, inwieweit das Management des Schiffsbetriebs tatsächlich in technischer, kommerzieller und personeller Hinsicht im Inland erfolgt, oder inwieweit hierbei auf ausländische Unternehmen zurückgegriffen wird.
Eine detaillierte Dokumentation, an welchem Ort/welchen Orten die maßgeblichen (Management-)Entscheidungen getroffen werden und deren Durchführung bzw. Umsetzung überwacht wird, stellt dabei ggf. eine gute Vorbereitung auf eine Prüfung durch die Finanzbehörden dar. Aus praktischen Gründen bietet sich dabei an, diese Dokumentation beim bzw. vom Bereederer anfertigen zu lassen, so dass dieser das Dokument den von ihm betreuten Schiffsgesellschaften zur Verfügung stellen kann.
Sofern sich im Rahmen der erwähnten Analyse Optimierungspotential im Hinblick auf die tatsächliche Ausgestaltung der Bereederung ergibt, sollten die zu ergreifenden Maßnahmen individuell geklärt werden. Die schließt sowohl gestalterische Überlegungen für die Zukunft als ggf. auch die Überprüfung der bisherigen Steuererklärungen bzw. -veranlagungen ein.
Der Beitrag wurde gemeinsam mit Lars Heymann verfasst.