Im Anschluss an die gesetzlichen Neuregelungen zu Verrechnungspreisen bei Finanzierungstransaktionen (Blogbeitrag lesen) hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) am 14. August 2024 ein sechsseitiges Schreiben veröffentlicht, das die Anpassung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom 6. Juni 2023 (Blogbeitrag lesen) betrifft. Es handelt sich dabei um einen Entwurf der beabsichtigten Änderungen. Dieser Entwurf wurde vom BMF an verschiedene Verbände versandt. Bis zum 6. September 2024 besteht die Möglichkeit einer Stellungnahme gegenüber dem Ministerium.
Grundsatz
Grundsätzlich konzentriert sich der Entwurf in weiten Teilen auf die Wiedergabe des Gesetzesinhalts, von BFH-Rechtsprechung sowie von Materie, die bereits im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens diskutiert bzw. niedergelegt wurde. Bemerkenswert sind allerdings die im Folgenden erläuterten Aspekte.
Inbound-Finanzierungsbeziehungen (§ 1 Abs. 3d AStG)
Anerkennung der Finanzierungsbeziehung dem Grunde nach
Nach § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 1 AStG wird ein einkunftsmindernder Aufwand aus einer grenzüberschreitenden, gruppeninternen Finanzierungsbeziehung steuerlich nicht anerkannt, wenn der Steuerpflichtige nicht glaubhaft machen kann, dass er (a) den Kapitaldienst von Anfang an hätte erbringen können sowie (b) er die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und sie für den Unternehmenszweck verwendet.
- Angesichts des Gesetzeswortlauts ist die vollständige Versagung des Aufwandsabzugs zu befürchten, wenn die erwähnten Bedingungen nicht für den gesamten Finanzierungsbetrag glaubhaft gemacht werden können. In Übereinstimmung mit den OECD-Richtlinien (OECD Guidelines 2022, Ziffer 10.13) will das BMF aber offensichtlich nun den Aufwandsabzug auf denjenigen Teil einer Finanzierung beschränken, welcher nicht fremdüblich ist.
- Das BMF-Schreiben enthält hilfreiche Hinweise zur Glaubhaftmachung der o. g. Voraussetzungen: So soll in sich schlüssig und substantiiert aufzuzeigen sein, (1) ob/wie der Kapitaldienst erbracht werden kann, wobei in eine Prognoserechnung auch eine Anschlussfinanzierung einschließen kann; (2) dass der Kapitaldienst wie vereinbart erbracht wird sowie (3) welcher Zweck mit dem überlassenen Kapital verfolgt wird und wie das Kapital verwendet wird. Inwieweit hieraus tatsächlich eine umfassende praktische Erleichterung im Sinne einer durchgreifend erhöhten Rechtsanwendungssicherheit resultieren wird, bleibt dennoch abzuwarten.
Bestimmung des fremdüblichen Zinssatzes
Nach § 1 Abs. 3d Satz 1 Nr. 2 AStG wird ein Aufwandsabzug aus den erwähnten Finanzierungsbeziehungen zudem grundsätzlich versagt, soweit der zu entrichtende Zinssatz denjenigen Zinssatz übersteigt, der sich unter Zugrundelegung des Ratings für die Unternehmensgruppe ergeben würde. Zu dieser Gesetzesnorm enthält der BMF-Entwurf zunächst verschiedene Ausführungen zum relevanten Rating. Begrüßenswert ist dabei z. B., dass (zumindest hilfsweise) auch Ratings mittels marktüblicher Ratingsoftware verwendet werden dürfen. Im Übrigen enthält der BMF-Entwurf u.a. Ausführungen zum Konzernrückhalt und zur Auswirkung der strategischen Bedeutung des kreditnehmenden Unternehmens. Bemerkens- und begrüßenswert ist dabei, dass das BMF bei gar nicht strategischer oder mäßiger/weniger strategischer oder Bedeutung des Darlehensnehmers ein Einzelrating des Darlehensnehmers bzw. eine Ableitung aus dessen Einzelrating anerkennen will, obwohl der Gesetzeswortlaut eigentlich stets eine Ableitung aus dem Gruppenrating vorsieht.
Zeitliche Anwendungsregelung
Nach dem Gesetzeswortlaut ist § 1 Abs. 3d AStG erstmals für ESt/KSt bzw. GewSt des Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraums 2024 anzuwenden. Danach wäre stets auch eine Anwendung auf bereits vereinbarte bzw. durchgeführte Finanzierungsbeziehungen möglich. Hiervon abweichend will der BMF-Entwurf die gesetzliche Regelung nicht auf Aufwendungen aus solchen Finanzierungsbeziehungen anwenden, welche vor dem 1. Januar 2024 vereinbart wurden, und deren tatsächliche Durchführung vor dem 1. Januar 2024 begonnen hat. Eine Anwendung auf „alte“ Finanzierungsbeziehungen soll allerdings dann erfolgen, wenn das Dauerschuldverhältnis nach dem 31. Dezember 2023 wesentlich geändert oder über den 31. Dezember 2024 fortgeführt wird. Im Ergebnis will das BMF damit für eine Vielzahl von Altfällen für das Jahr 2024 eine faktische Übergangsregelung schaffen.
Weiterleitung/Vermittlung von Finanzierungsbeziehungen, Finanzmittelsteuerung und Finanzierungsgesellschaften (§ 1 Abs. 3e AStG)
Nach § 1 Abs. 3e AStG stellt es vorbehaltlich des gegenteiligen Nachweises mittels einer Funktions- und Risikoanalyse regelmäßig eine funktions- und risikoarme Dienstleistung dar,
- wenn eine Finanzierungsbeziehung von einem Unternehmen gegenüber einem anderen Unternehmen innerhalb der Unternehmensgruppe vermittelt bzw. weitergeleitet wird oder
- wenn ein Unternehmen einer Unternehmensgruppe für ein oder mehrere Unternehmen der Gruppe die Steuerung von Finanzmitteln übernimmt oder als Finanzierungsgesellschaft agiert.
Zu diesen Regelungen stellt der BMF-Entwurf zunächst in Übereinstimmung mit dem BFH-Urteil vom 18. Mai 2021 (Az.: I R 4/17) klar, dass sich die Bestimmung des Fremdvergleichspreises für die Fremdkapitalüberlassung zwischen nahestehenden Personen vorrangig und auch nach Ergehen des § 1 Abs. 3e AStG nach der Preisvergleichsmethode richtet.
Zu beachten bleibt allerdings, dass sich die Finanzverwaltung vorbehalten möchte, den in § 1 Abs. 3e AStG erwähnten Gegennachweis auch selbst mittels einer Funktions-/Risikoanalyse anzutreten, und dass sie es für Erfolg des Gegennachweises – gleich ob durch den Steuerpflichtigen oder durch die Finanzverwaltung – als ausreichend betrachtet, wenn die konkreten Umstände dergestalt substantiiert und in sich schlüssig dargelegt werden, dass die Kriterien als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfüllt anzusehen sind (Glaubhaftmachung).
Zusammenfassung und Ausblick
Die gesetzlichen Anpassungen bei der ertragsteuerlichen Behandlung von grenzüberschreitenden Finanzierungsbeziehungen innerhalb einer Unternehmensgruppe durch das Wachstumschancengesetz haben zu Diskussionen und Verunsicherungen geführt. Vor diesem Hintergrund ist dem BMF-Entwurf der Versuch anzumerken, durch z. T. pragmatische Anwendungs- und Übergangsregeln den Gesetzesnormen ihre eventuellen Tendenzen zu überschießender Schärfe zu nehmen. Von daher bleibt zu hoffen, dass sich zahlreiche der erwähnten Auslegungen auch im endgültigen BMF-Schreiben finden werden.
Allerdings sind nicht alle Ausführungen des BMF-Entwurfs zugunsten Steuerpflichtigen ausgefallen. So etwa erscheint es durchaus problematisch, dass ein Gegennachweis zur gesetzlich vermuteten Funktions-/Risikoarmut i. S. d. § 1 Abs. 3e AStG auch von der Finanzverwaltung selbst geführt werden kann und dass über dessen Erfolg dann auch noch die Verwaltung selbst entscheiden soll. Vor allem aber wird es im Streitfall Sache der Rechtsprechung sein, die Paragraphen des AStG nach Recht und Gesetz, aber unabhängig von BMF-Schreiben auszulegen. Auch das beste BMF-Schreiben wird insoweit nicht in der Lage sein, aus einem Gesetz selbst resultierende Schwierigkeiten rechtsanwendungssicher zu beheben.