Blogbeitrag
17.09.2024

Weekly Tax-Insight: Unser wöchentlicher Beitrag zum Steuerrecht

Mit der Entscheidung des argentinischen obersten Gerichtshofs (Corte Suprema de Justicia de la Nación) vom 13. August 2024 ging ein langer Verrechnungspreisstreit zwischen Volkswagen Argentina S.A. und der argentinischen Steuerverwaltung (Dirección General Impositiva - DGI) zu Ende.

von
Martin Alejandro Weiss Maciel

Das Urteil verdient Beachtung, da die darin enthaltenen Aussagen entsprechend auch von anderen Finanzverwaltungen oder Gerichten angewendet werden oder werden könnten. Diese Lehren betreffen insbesondere die Bedeutung des Benchmarkings, die Notwendigkeit detaillierter Vergleichbarkeitsanalysen sowie Besonderheiten in Verlustperioden.

Der Fall

Volkswagen Argentina (VW Argentina) führte im Streitjahr 2001 Geschäftsbeziehungen mit ausländischen nahestehenden Personen in Gestalt der Ein- und Ausfuhr von Fahrzeugen und Fahrzeugkomponenten durch. Zum Nachweis der Angemessenheit der Verrechnungspreise für diese Transaktionen hatte die VW Argentina eine Datenbankstudie unter Verwendung des ROCE (Rate of Return on Capital Employed) als PLI (Profit Level Indicator) verwendet. Die Argumentation von VW Argentina wies dabei zwei Besonderheiten auf: 

  • VW Argentina behandelte die Erträge aus dem Erlass eines ihr von einer beherrschenden Gesellschaft gegebenen Darlehens als Teil der Betriebsergebnisse. Zur Begründung wies VW Argentina darauf hin, dass sie die Einnahmen aus dem Darlehensverzicht (a) zur Rückzahlung von Bank-/Finanzkrediten und damit zur Verringerung der finanziellen Belastung des Unternehmens sowie (b) zur Beschaffung von Mitteln verwendet habe, welche größtenteils zur Finanzierung des Baus einer neuen, 2002 in Betrieb genommenen Produktionsstätte verwendet worden sind. Die Einnahmen seien zur Ausweitung der Betriebskapazitäten verwendet worden und stellten somit Teil der betrieblichen Einnahmen dar.
  • Weiter hatte VW Argentina (wie üblich) im Hinblick auf die Vergleichsunternehmen einen Mehrjahresvergleich (hier: für die Jahre 1998-2000) angestellt, zugleich jedoch den so ermittelten Mehrjahresdurchschnitt einem Mehrjahresdurchschnitt der eigenen Rendite (hier: für die Jahre 1999-2001) gegenübergestellt. VW Argentina begründete dieses Vorgehen damit, ein Wirtschaftsgutachten habe gezeigt, dass die Verwendung von Mehrjahresdaten den Unterschiedenen im Konjunkturzyklus Rechnung trage, da auch VW Argentina im fraglichen Zeitraum eine ähnliche Rezession erlebt habe wie andere Unternehmen dieses Sektors.

Auf der Grundlage dieses Vorgehens kam VW Argentina zu einer (durchschnittlichen) eigenen ROCE von ca. 24 %, während sich für die Vergleichsunternehmen eine Interquartilsbandbreite von ca. 4 % bis 13 % (Median: ca. 8 %) ergab.

Die argentinische Finanzverwaltung kam ohne die Einbeziehung der Erlasserträge sowie unter alleiniger Heranziehung der Ergebnisse 2001 von VW Argentina zu einer ROCE von ca. -10 % und ermittelte im Übrigen in einer eigenen Verrechnungspreisstudie eine von ihr als angemessen betrachtete Interquartilsbandbreite von ca. 8 bis 12 % (Median: ca. 9 %).

Das Urteil des obersten argentinischen Gerichtshofs

Der Oberste Gerichtshof entschied, dass die Berücksichtigung des außergewöhnlichen Ergebnisses der Streichung von Darlehen im Zähler des ROCE unangemessen gewesen sei. Die Anpassung seitens VW Argentina sei kein tatsächlicher Anpassungsprozess zur Erhöhung der Vergleichbarkeit gewesen, sondern eine buchhalterische Umklassifizierung, welche die Beurteilung der operativen Rentabilität im Vergleich zu den Vergleichsunternehmen verzerre. 

Außerdem stellte der Gerichtshof fest, dass es nicht angemessen sei, einen Durchschnitt des ROCE für mehrere Jahre bei der Bestimmung der Transferpreise für ein spezifisches Geschäftsjahr zu verwenden.

Im Ergebnis verlor VW Argentina daher im Hinblick auf beide der o. g. Aspekte.

Die Lehren

Benchmarking-Studien

Eine Benchmark-Studie wird regelmäßig als entscheidend dafür angesehen, dass die gewählten Verrechnungspreise dem Fremdvergleichsprinzip und damit den steuerlichen Anforderungen genügen. Die Präzision bei der Vergleichsanalyse der Rentabilität zwischen Unternehmen ermöglicht es festzustellen, ob die für verbundene Transaktionen angewandten Preise und Bedingungen den Bedingungen entsprechen, die zwischen unabhängigen Parteien gelten würden.

Vergleichbarkeitsanalyse

Um die Vergleichbarkeit zwischen den Ergebnissen des eigenen Unternehmens und denjenigen der Vergleichsunternehmen mittels einer Datenbankstudie nachweisen zu können, müssen sowohl das eigene Unternehmen als auch die Vergleichsunternehmen auf mögliche Verzerrungen durch atypische Ereignisse hin untersucht werden. Wird die Datenbankstudie (wie im Urteilsfall) unter Verwendung einer Kennzahl durchgeführt, welche auf das operative Ergebnisse zurückgreift, ist somit z. B. die sachgerechte Trennung des operativen vom nichtoperativen Ergebnis notwendig. So war es aufgrund der erheblichen Auswirkungen entscheidend, die erwähnten Darlehen und deren Erlass sorgfältig zu verstehen und den wahren Charakter dieser Geschäftsvorfälle zu beurteilen. Im Urteilsfall stellte das Gericht insoweit fest, dass die Erfassung der Erträge aus den Darlehensverzichten zu keiner Verbesserung der Vergleichbarkeit führte, sondern es sich auch nach dem Verständnis von VW Argentina um eine buchhalterische Maßnahme handelte, mithilfe derer außerordentliche Erträge aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Situation berücksichtigt werden sollten.

Verlustperioden

a) Verlustperioden für die Tested Party

In Verlustjahren setzt eine angemessene Bestimmung der Verrechnungspreise für die "Tested Party" regelmäßig die eingehende Betrachtung der Branche und ihrer wirtschaftlichen Bedingungen im zu untersuchenden Zeitraum voraus. Externe Verlustursachen wie Marktbedingungen, konjunkturelle Schwächen oder branchenspezifische Faktoren müssen dabei sorgfältig analysiert werden, um die Verluste der getesteten Partei in ihrem wirtschaftlichen Kontext richtig zu beurteilen. Im Urteilsfall war somit zu berücksichtigen, dass Argentinien 2001 eine der schwersten Wirtschaftskrisen in der Geschichte des Landes durchschritt: Die Krise führte zu einem drastischen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um etwa 10,9 % und zu einer erheblichen Abwertung der Landeswährung, die schließlich in der Aufhebung der Peso-Dollar-Parität mündete. 

Die Entscheidung des argentinischen obersten Gerichtshofs könnte Einfluss auf Nachbarländer haben, deren Gesetzgebung in Bezug auf Verrechnungspreise der argentinischen sehr ähnlich ist. 

Beachtung verdient im Hinblick auf die Behandlung von Verlusten zudem das Urteil des Regionalen Steuergerichts der Lombardei, Italien (Entscheidung Nr. 928/20/2019 vom 1. März 2019): In diesem Fall stellte das Gericht fest, dass wiederkehrende Verluste einer italienischen Konzerngesellschaft nicht zwangsläufig auf die Verrechnungspreispolitik des Konzerns oder auf nicht vergütete konzerninterne Dienstleistungen zurückzuführen seien, wie es die italienischen Steuerbehörden behauptet hatten. Vielmehr waren in jenem Urteilsfall die Verluste auf tatsächliche wirtschaftliche und branchenspezifische Faktoren zurückzuführen. Auch dieses Urteil unterstreicht die Bedeutung einer gründlichen Dokumentation und Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, um die Ursachen von Verlusten in einem multinationalen Kontext angemessen zu beurteilen.

b) Verlustperioden für die Vergleichsunternehmen

Im Rahmen von Benchmarking-Studien werden häufig Vergleichsunternehmen, die während des gesamten Untersuchungszeitraums Verluste aufweisen, aus der Datenbanksuche ausgeschlossen. Steuerbehörden neigen außerdem dazu, Unternehmen als nicht vergleichbar anzusehen, welche im mehrjährigen Durchschnitt Verluste aufweisen oder auch nur in einem der Jahre Verluste machen. Weder in den OECD-Leitlinien noch im nationalen Steuerrecht vieler Staaten existiert jedoch eine explizite Vorschrift, die den Ausschluss von Unternehmen vorschreibt, die in einem oder zwei der ausgewählten Jahre Verluste erleiden. Solche Unternehmen können daher als vergleichbar angesehen werden, wenn ihre wirtschaftlichen Rahmenbedingungen den Marktrealitäten entsprechen. Ein aktuelles Urteil des obersten italienischen Gerichtshofs (Fall Nr. 19512/2024 vom 16. Juli 2024) hat insoweit ausdrücklich klargestellt, dass der Ausschluss von Unternehmen allein aufgrund von Verlusten oder niedrigen Rentabilitäten in bestimmten Jahren nicht den Prinzipien der OECD-Leitlinien für Verrechnungspreise entspricht, in welchen sogar umgekehrt betont wird, dass Vergleichsunternehmen aufgrund ihrer Geschäftsstrategien auch zeitweise Verluste oder geringere Gewinne aufweisen können.

Fazit

Die Befolgung der erwähnten Aspekte hilft sicherzustellen, dass die Beurteilungen des Steuerpflichtigen im Rahmen seines Nachweises der Vergleichbarkeit die tatsächlichen Marktbedingungen zutreffend sowie präzise widerspiegeln. Dadurch wird gewährleistet, dass die Verrechnungspreise den steuerlichen Vorschriften entsprechen und mögliche Streitigkeiten mit den Steuerbehörden minimiert werden. Besonders wichtig ist es, jedes Jahr einzeln zu analysieren und die Ergebnisse kontinuierlich zu überwachen, um Risiken frühzeitig zu erkennen, besser zu dokumentieren und gegebenenfalls rechtzeitig Anpassungen vorzunehmen. Eine sorgfältige Dokumentation und Analyse der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist zudem entscheidend, um den Anforderungen der steuerlichen Prüfung gerecht zu werden.

 

Der Beitrag wurde gemeinsam mit Dr. Dietrich Jacobs verfasst.

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