Die ökologische Nachhaltigkeitsdimension ist Kern der EU-Taxonomie-Verordnung sowie elementarer Teil der verbindlichen Berichtsstandards (ESRS) und nimmt somit einen hohen Stellenwert im Kontext der Nachhaltigkeitsberichterstattung ein. Nachdem die EU-Taxonomie in dem vorherigen Artikel im Vordergrund stand, widmet sich der vorliegende vierte Teil unserer Reihe zur Nachhaltigkeitsberichterstattung den umweltbezogenen ESRS.
ESRS E: Ein Überblick
Das erste Set der ESRS enthält zwölf Standards, hiervon zwei Querschnitts-Standards sowie zehn themenspezifische Standards (vgl. folgenden Artikel). Die themenspezifischen Standards – davon fünf zu Umwelt-, vier zu Sozial- und einer zu Governance-Aspekten – decken die drei Nachhaltigkeitsdimensionen ab und sind jeweils in sog. „Themen“, „Unterthemen“ und zum Teil mehrere „Unter-Unterthemen“ gegliedert. Die umweltbezogenen Standards (ESRS E, E steht hier für Environmental) umfassen:
- ESRS E1 – Klimawandel
- ESRS E2 – Umweltverschmutzung
- ESRS E3 – Wasser- und Meeresressourcen
- ESRS E4 – Biologische Vielfalt und Ökosysteme
- ESRS E5 – Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft
Trotz einer thematischen Abgrenzung zwischen einzelnen Standards zeigen sich inhaltliche Überschneidungen. Unterthemen des ESRS E1 sind z.B. die Anpassung an den Klimawandel, der Klimaschutz und die Energie. Der ESRS E4 ist u.a. in die Unterthemen Auswirkungen auf den Zustand der Arten oder direkte Ursachen des Biodiversitätsverlusts unterteilt, wobei hierbei wiederum Unter-Unterthemen wie der Klimawandel oder die Umweltverschmutzung von Bedeutung sind.
Umfang der Berichterstattung
Während ESRS 2 (Allgemeine Angaben) von allen berichtspflichtigen Unternehmen zu berücksichtigen ist, hängt die Anwendung der themenspezifischen Standards von einer Wesentlichkeitsbetrachtung (vgl. folgenden Artikel) ab. Infolgedessen können themenbezogene Standards in Gänze oder zum Teil (z.B. bestimmte Unterthemen) nicht berichtspflichtig sein. Wird ein bestimmter ESRS vollständig ausgelassen, wird nach ESRS 2 im Abschn. IRO-2 empfohlen, konkret darzulegen, warum das Thema in seiner Gesamtheit als unwesentlich erachtet wird. Diesbezüglich stellt der ESRS E1 (Klimawandel) eine Besonderheit dar. Wird der ESRS E1 als unwesentlich eingestuft, ist neben einer Schlussfolgerung der Bewertung der Wesentlichkeit eine vorausschauende Analyse der Bedingungen zu verfassen, die das Unternehmen dazu veranlassen könnte, den Klimawandel in Zukunft dann doch als wesentlich zu betrachten.
Aufbau der Standards und Angabepflichten
Die Environmental-ESRS (= ESRS E) sind gleichartig aufgebaut und geben jeweils zu Beginn einen Überblick über das Ziel des Standards, sein Zusammenspiel mit anderen ESRS sowie die relevanten Angabepflichten, die aus ESRS 2 resultieren. Die ESRS E unterscheiden sich insbesondere im Hinblick auf die Anzahl der Angabepflichten, welche jeweils bestimmten Berichterstattungsbereichen zugeordnet sind.
Berichterstattungsbereiche
- Governance (GOV)
- Strategie (Strategy and business model, SBM)
- Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen (Impact, risk and opportunity management, IRO)
- Parameter und Ziele (Metrics and targets, MT)
Nach allen ESRS E ist u.a. konkret für das jeweilige Thema über Verfahren zur Ermittlung und Bewertung der wesentlichen Auswirkungen, Risiken und Chancen sowie erwartete finanzielle Auswirkungen zu berichten. Inwiefern die nachhaltigkeitsbezogene Leistung eines Unternehmens in die Anreizsysteme einbezogen wird, ist aber z.B. nur beim ESRS E1 relevant (ESRS 2 Abschn. GOV-3).
Einblick in den ESRS E2 zur Umweltverschmutzung
Der ESRS E2 adressiert Angabepflichten zum Thema Umweltverschmutzung und deckt sieben Unterthemen ab, wozu z.B. die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden gehört (ESRS E2-4). In Tab. 1 werden einzelne Angabepflichten exemplarisch am ESRS E2 dargestellt.
Im Zuge der Wesentlichkeitsanalyse von umweltbezogenen Unterthemen bewertet ein Unternehmen aus Sicht der Stakeholder, ob die Umweltverschmutzung in seinem eigenen Betrieb und in seiner vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette (ESRS 2 IRO-1) wesentlich ist. Die ESRS empfehlen hierbei einen spezifischen Ansatz, wonach zunächst Unterthemen (1) lokalisiert, (2) evaluiert und dann (3) im Hinblick auf Chancen und Risiken bewertet werden (ESRS E2 AR1):
- Im Zuge der Lokalisierung ist relevant, wo ein Unternehmen eine Verbindung zur Natur aufweist (z.B. mit Betriebsstätten, in denen Emissionen von Wasser-, Boden- und Luftschadstoffen auftreten (können)).
- Im zweiten Schritt werden die Auswirkungen und Abhängigkeiten für jeden Standort oder Sektor/ Geschäftsbereich evaluiert, wobei der Schweregrad und die Wahrscheinlichkeit der Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit von Relevanz sind.
- Auf der Grundlage dieser beiden Schritte werden die wesentlichen Risiken und Chancen bewertet. Dabei können auch Chancen ermittelt werden, die mit der Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung zusammenhängen. Ein Unternehmen könnte z.B. davon profitieren, wenn es durch ökologisch nachhaltige Produktionsprozesse Zugang zu grünen Fonds, Anleihen oder Darlehen erhält.
Weiter hat ein Unternehmen nach ESRS E2-1 die Strategie zu beschreiben, die es im Zusammenhang mit der Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung einsetzt. Die Beschreibung hat u.a. Informationen über erfasste Schadstoffe zu enthalten und kann in themenübergreifende, umfassende Umwelt- oder Nachhaltigkeitsstrategien integriert werden (z.B. im Hinblick auf den Pflanzenschutz).
Beispiel: Hierzu ein Praxis-Beispiel des Chemiekonzerns BASF: „BASF folgt beim Vertrieb von Pflanzenschutzmitteln dem Internationalen Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Welternährungsorganisation (FAO). Der Vertrieb erfolgt nur nach vorheriger Genehmigung durch die zuständigen Behörden. Produkte, die zu den WHO-Klassen 1A oder 1B (hohe akute orale und dermale Toxizität) gehören, verkaufen wir auch bei bestehender formaler Zulassung nicht mehr.“ (BASF SE, BASF-Geschäftsbericht 2023, S. 150)
Die Angabepflichten des ESRS E2-2 adressieren anschließend Maßnahmen, die ergriffen und geplant wurden, um die Ziele und Vorgaben der Strategien im Kontext der Umweltverschmutzung zu erreichen. Hierzu gehört beispielsweise die Verringerung oder Vermeidung des Einsatzes schädlicher oder nicht nachhaltiger Stoffe im Produktionsprozess; denkbar ist der Einsatz von Recycling-Baustoffen im Baugewerbe oder der Verzicht auf Plastikverpackungen.
Angabepflichten aus der Kategorie Parameter und Ziele enthält der ESRS E2-4, der die Offenlegung von Schadstoffen vorschreibt, die ein Unternehmen durch seine eigenen Tätigkeiten emittiert. Die Angaben, welche z.B. ozonabbauende Stoffe oder Stickstoffoxide enthalten, sind grundsätzlich auf Ebene des Bericht erstattenden Unternehmens darzustellen, können jedoch auch aufgeschlüsselt angegeben werden.
Hinweis: Die EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) hat ergänzend zu den Standards eine detaillierte Übersicht zu allen Datenpunkten der ESRS veröffentlicht. Diese Übersicht ist nebst Anwendungshilfen zur Wesentlichkeitsanalyse und der Betrachtung der Wertschöpfungskette auf der Website der EFRAG abrufbar.
Take-away
- Die ESRS E adressieren fünf Themenbereiche und weisen inhaltliche Interdependenzen auf.
- Der ESRS E1 (Klimawandel) sticht im Hinblick auf Detailtiefe und Umfang der Berichtspflichten heraus.
- Die Angabepflichten der ESRS sind differenziert nach verschiedenen Berichterstattungsbereichen zu erfüllen.
- Die EFRAG stellt umfangreiche Anwendungshilfen zu den ESRS zur Verfügung.