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Verrechnungspreiskorrekturen: Neue BFH-Rechtsprechung zur Sperrwirkung des Art. 9 OECD-Musterabkommen

Im Jahr 2019 hat eine Rechtsprechungsänderung des BFH zum Umfang der Korrekturen nach § 1 AStG hohe Wellen in der Literatur geworfen. Auch wenn die Urteile aufgrund der grundsätzlichen steuerlichen Nichtabzugsfähigkeit von Verlusten aus Forderungen von Kapitalgesellschaften gegen nahestehende Personen (bzw. der prinzipiell nur teilweisen Nichtabzugsfähigkeit bei Forderungen von natürlichen Personen) beschränkte praktische Relevanz haben, geben wir im Folgenden einen Überblick.

Ansatz des fremdüblichen Werts (Anwendung von § 1 AStG)

Mindern sich die Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus einer Geschäftsbeziehung zum Ausland mit einer nahestehenden Person durch die Anwendung von Bedingungen, die nicht dem Fremdvergleichsprinzip entsprechen, so sind die Einkünfte nicht zu den vereinbarten Bedingungen anzusetzen, sondern mit dem fremdüblichen Wert (§ 1 AStG). Zur Anwendung dieser Regelung hat der BFH in drei Konstellationen am 27.2.2019 Stellung genommen.

(1) Zunächst betrachtet der BFH in einem ersten Urteil (Az.: I R 73/16) den Aufwand aus der Abschreibung auf ein Darlehen einer inländischen Muttergesellschaft an ihre ausländische Tochtergesellschaft bzw. aus dessen Ausbuchung als nicht abzugsfähig, weil das Darlehen durch nicht marktübliche Bedingungen wie z.B. fehlende Sicherheiten gekennzeichnet ist. Der BFH ändert in diesem Urteil seine bisherige Auffassung insoweit, als nach früheren Entscheidungen eine Art. 9 OECD-MA entsprechende Regelung in einem DBA die erwähnte Anwendung des § 1 AStG über eine Verrechnungspreiskorrektur hinaus verhinderte (sog. „Sperrwirkung des Art. 9 OECD-MA“). Nunmehr teilt der BFH also die gegenteilige Auffassung der deutschen Finanzverwaltung. Der BFH begründet seine Auffassung damit, dass es eben nicht um eine Verrechnungspreiskorrektur i.S. von Art. 9 OECD gehe, sondern das gesamte Darlehen von einem fremden Dritten ohne Sicherheiten nicht gewährt worden wäre; dies sei ein Fall der Substanz, der über § 1 AStG zu korrigieren sei.

(2) In zwei weiteren Entscheidungen (Az.: I R 51/17 und I R 81/17) zu Inter-Company-Forderungen und -Bürgschaften stellt der BFH heraus, dass der sog. Konzernrückhalt lediglich zum Ausdruck bringe, dass es innerhalb eines Konzernverbunds üblich sei, Darlehen ohne Sicherheiten zu vergeben. Der Konzernrückhalt sei jedoch nicht mit einer Kreditbesicherung gleichzusetzen. Er könne eine solche Sicherheit deshalb weder ersetzen noch schließe er aus, dass eine Darlehensforderung zwischen verbundenen Unternehmen wertlos sein könne. Bemerkenswert ist dabei die Relativierung des BFH hinsichtlich der Frage, ob die fehlende oder nicht ausreichende Besicherung einer Forderung dem Fremdvergleichsgrundsatz entspreche oder nicht: Bezeichnet der BFH in der unter (1) erwähnten Entscheidung solche Vereinbarungen noch schlicht als „nicht fremdüblichen Umstand“, verweist er die zuletzt erwähnten Fälle mit der Begründung an die Finanzgerichte zurück, dass die nötigen Feststellungen nicht getroffen seien, ob die fehlende Besicherung der Zahlungsforderung dem entspreche, was ein fremder Dritter (ex ante) vereinbart hätte.

Zwischenergebnis: Zusammenfassend ergeben sich trotz der zuletzt dargestellten Unklarheiten neue Hürden für die steuerliche Berücksichtigungsfähigkeit von Aufwendungen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen.

Enge Grenzen für Hornbach-Rechtsprechung

Weiterhin ist zu beachten, dass der BFH der Anwendung der grundsätzlich vorteilhaften EuGH-Rechtsprechung in Sachen „Hornbach“ enge Grenzen zieht: So seien in den unter (2) erwähnten Fällen von Inter-Company-Darlehen und -Bürgschaften die umstrittenen Sachverhalte nicht mit den im Hornbach-Urteil des EuGH infrage stehenden Garantie- und Patronatserklärungen vergleichbar. Daneben stellt der BFH fest, dass für Drittstaatenfälle allenfalls die Kapitalverkehrsfreiheit einer Anwendung des § 1 AStG entgegenstehen könnte, deren Einschränkung durch das deutsche AStG aber aufgrund der sog. „Standstill-Klausel“ nicht zu beanstanden wäre: Hiernach ist die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch nationale Maßnahmen (weiterhin) zulässig, wenn diese Maßnahmen (wie § 1 AStG) bereits am 31.12.1993 bestanden haben.

Empfehlung: Mit dem Ziel, die steuerliche Berücksichtigung des Aufwands z.B. aus dem Wertverlust von Darlehen oder sonstigen Forderungen an ausländische nahestehende Personen (oder aus der Inanspruchnahme aus Bürgschaften) zu ermöglichen, sollten Sie Ihre bestehenden grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen auf Anpassungsbedarf nach Maßgabe der neuen Rechtsprechung überprüfen. Ratsam ist es, künftige Geschäftsbeziehungen in Übereinstimmung mit den neuen Anforderungen auszugestalten.

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