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VAT in the Digital Age – Auswirkungen der Digitalisierung auf das Mehrwertsteuersystem der EU

Die EU-Kommission veröffentlichte am 8.12.2022 im Rahmen ihrer Initiative VAT in the Digital Age („ViDA“) einen vielbeachteten Richtlinienentwurf. Dieser stellt darauf ab, die sich aufgrund der voranschreitenden Digitalisierung geänderten Bedingungen in der Geschäftswelt mehrwertsteuerrechtlich zu harmonisieren. Geplant ist, die Änderungen in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie ab 2024 bis 2028 umzusetzen.

Reformbedarf 

Die bestehenden EU-Vorschriften zur Mehrwertsteuer (MwSt) passen oftmals nicht mehr zu den heutigen Leistungsbeziehungen und Geschäftsmodellen in ihrer globalen und digitalen Form. Im Jahr 2020 wurde ein sog. Tax Action Plan seitens der EU-Kommission beschlossen, um das MwSt-System zu verjüngen. Das nun veröffentlichte Änderungspaket ViDA soll ab dem 1.1.2025 eingeführt werden, wobei die weitere zeitliche Umsetzung noch offen ist. 

Die geplanten Änderungen sind umfassend, so dass von einer tiefgreifenden Reform der MwSt gesprochen werden kann. Das Reformpaket sieht drei Kernpunkte vor: 

  • Single VAT Registration („SVR“),
  • Ausweitung der Lieferkettenfiktion auf Dienstleistungen,
  • Digitale Meldepflicht („DMP“) / elektronische Rechnungstellung.

Single VAT Registration („SVR“) bringt … 

Grenzüberscheitende Leistungen führen umsatzsteuerlich oftmals zu (mehrfachen) Registrierungen leistender Unternehmer im EU-Ausland. Ziel der Neuregelung ist es, möglichst viele Geschäftsvorfälle, die im EU-Ausland zu einer Registrierung/Meldepflicht führen würden, zentralisiert im Ansässigkeitsstaat des Leistenden zu melden. Diese Bündelung soll sowohl die Kosten als auch den Zeitaufwand der meldepflichtigen Unternehmer sowie den Verwaltungsaufwand der Behörden reduzieren.

Es wird im Zuge dessen keine EU-Identifikationsnummer oder EU-Registrierung geben. Stattdessen soll die zentralisierte Meldung über die Registrierung im Ansässigkeitsstaat des leistenden Unternehmers erfolgen. Dieses Verfahren erinnert an den One-Stop-Shop (OSS), dessen Erweiterung im Zuge der Neuerung geplant ist, da die SVR weitaus mehr Geschäftsvorfälle abfangen soll, die ursprünglich zur umsatzsteuerlichen Registrierung im EU-Ausland geführt hätten. Zugleich soll auch der sog. Import-One-Stop-Shop (IOSS) in Anspruch genommen werden können.

… umfangreiche Verfahrensänderungen mit sich

Die geplanten Änderungen lassen sich in Abhängigkeit des Status des Leistungsempfängers einordnen und sind hier zur besseren Übersicht tabellarisch aufgeführt (s. Tabelle: Verfahrensänderungen gem. SVR)

Ausweitung der Lieferkettenfiktion auf Dienstleistungen

Plattformen sind nicht nur Umschlagplatz für Waren, sondern auch Anlaufstelle für die Vermittlung von Dienstleistungen. Um für diesen Markt umsatzsteuerlich gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, soll die vorab beschriebene Lieferkettenfiktion mit Wirkung zum 1.1.2025 auch auf spezifische Dienstleistungen, die über elektronische Schnittstellen erbracht werden, ausgeweitet werden. 
Die hierunter fallenden sonstigen Leistungen sind:

  • kurzfristige Unterkunftsvermietung (max. 45 Tage) über Vermietungsportale sowie  
  • Personenbeförderungen über „Taxi“-Dienstleistungsportale, die durch Privatpersonen bzw. Kleinunternehmer (führen selbst keine Umsatzsteuer ab) sowie nicht in der EU ansässige Unternehmen oder Privatpersonen (Drittländer) erbracht werden. 

Hinweis: Mit der Neuregelung soll ein Ausgleich geschaffen werden, da bislang – entgegen den Regelungen für reguläre Anbieter (Hotel etc.) – Privatpersonen oder auch kleine Unternehmen Vermietungs- oder Personenbeförderungsleistungen über Plattformen ohne Umsatzsteuer anbieten. 

Umsatzsteuerlich wird in der Kette eine fiktive Leistung an die Plattform erbracht. Diese sonstige Leistung ist steuerfrei ohne Recht auf Vorsteuerabzug. Die Plattform tritt gegenüber dem Kunden als fiktiver Leistender auf, dessen Leistung steuerbar und steuerpflichtig ist (Rechnungstellung mit Ausweis von Umsatzsteuer). Hierbei hat die Dienstleistung, welche die Plattform fiktiv erbringt, keinen Einfluss auf deren Vorsteuerabzugsberechtigung. 

Digitale Meldepflicht („DMP“) / elektronische Rechnungstellung

Hintergrund: Verpflichtendes E-Invoicing

Hintergrund dieser Neuregelung ist die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs, wodurch sog. missing trader des Umsatzsteuerkarussells schneller erkannt und entsprechend zeitnah ergriffen werden können. Eingeführt werden soll – an Stelle der bislang vorgeschriebenen Zusammenfassenden Meldung („ZM“) – ein digitales Meldepflichtsystem (sog. „DMP-System“), das einheitliche kurzfristige Meldungen ermöglicht. Damit einhergehend wird E-Invoicing für bestimmte Leistungen verpflichtend sein. 

Umsetzungsschritte

Zur Umsetzung soll in einem ersten Schritt ab 2024 eine neue Definition der elektronischen Rechnung in der MwSt-Systemrichtline gelten: Hiernach muss eine elektronische Rechnung in einem strukturierten, elektronischen Format sowohl ausgestellt als auch versandt werden. Mit Schritt 2 soll zum 1.1.2028 für alle innergemeinschaftlichen Lieferungen (B2B) sowie sonstigen Leistungen, die zum Übergang der Steuerschuldnerschaft führen, Folgendes eingeführt werden:

(1) Pflicht zur elektronischen Rechnungstellung: Die elektronische Rechnung muss innerhalb von zwei Arbeitstagen nach Eintritt des Steuertatbestands (d.h. relevant ist der Leistungszeitpunkt) erstellt werden. Damit einhergehend sollen dann …

  • … Sammelrechnungen, die mehrere einzelne Lieferungen bzw. sonstige Leistungen eines Monats enthalten, nicht mehr möglich bzw. erlaubt sein (s. hierzu Meldepflicht im DMP-System),
  • … Rechnungen im pdf-Format aus umsatzsteuerlicher Sicht nicht mehr als elektronische Rechnungen dienen. Vielmehr wird die elektronische Rechnung in einem strukturierten und elektronischen  Format mit automatischer und elektronischer Weiterverarbeitung erzeugt werden.

Hinweis: Ferner würden die geltenden Rechnungsvoraussetzungen Zuwachs bekommen, z.B. Bankverbindung/IBAN des leistenden Unternehmers und die Zahlungszielvereinbarung. 

Die neuen E-Invoices sollen von den einzelnen Mitgliedstaaten ohne vorheriges zentrales Clearing erlaubt sein. Hierfür soll es eine Anpassung des bislang bestehenden EU-weiten E-Invoicing-Systems auf den neu geplanten EU-Standard geben.

Hinweis: Von der Neuregelung nicht betroffen sein werden zunächst wohl reine Inlands- sowie Drittlandsleistungen. Jedoch bleibt abzuwarten, ob auf nationaler Ebene für Inlandsleistungen nicht auch auf ein strukturiertes elektronisches Rechnungsformat zurückgegriffen wird. Die im Koalitionsvertrag vorgesehene Regelung zur Rechnungstellung in Bezug auf die Bekämpfung von Umsatzsteuerbetrug würde dies unterstützen.

(2) Pflicht zur digitalen Berichterstattung über das DMP-System: Die jeweilige Meldung im DMP-System soll bis spätestens zwei Werktage nach Erstellung der E-invoice erfolgen. Aufgrund des kurzfristigen Meldezeitraums werden keine Sammelrechnungen mehr möglich bzw. erlaubt sein. 

Hinweis: Es wird möglich sein, dass ein Dritter die Daten im Namen des Steuerpflichtigen übermittelt. Neu wird auch die verpflichtende Meldung innergemeinschaftlicher Erwerbe sein. 

Ausblick

Zur Umsetzung der Reform bedarf es im nächsten Schritt der einstimmigen Zustimmung aller 27 Mitgliedsländer. Zum aktuellen Zeitpunkt bleibt noch abzuwarten, wie, wann und in welcher Form die Umsetzung der Neuregelungen erfolgen wird. Für Unternehmer, die von der Neuregelung betroffen sind, wird die Reform meldepflichtige Vorteile, insbes. eine geringere Anzahl ausländischer Registrierungen mit sich bringen. 

Empfehlung: Es werden aber in erster Linie auch prozessuale und systemseitige Anpassungen erforderlich sein, insbesondere im Bereich des E-Invoicing. Um sich darauf vorzubereiten, empfiehlt es sich, die Entwicklungen zu verfolgen und die eigenen Geschäftsvorfälle und Prozesse hinsichtlich etwaiger Anpassungen zu hinterfragen.

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