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Steuergesetzliche Abwehr internationaler Besteuerungsinkongruenzen (§ 4k EStG)

Immer noch nur der Entwurf eines BMF-Schreibens

Überblick

Mit Wirkung ab 2020 wurden in Umsetzung der EU-Richtlinie gegen Steuervermeidung (Anti Tax Avoidance Directive - ATAD) spezielle gesetzliche Regelungen eingeführt, um Steuerschlupflöcher zu schließen, die ansonsten infolge des Auseinanderklaffens in- und ausländischer steuerlicher Wertungen (sog. Besteuerungsinkongruenzen) bei bestimmten grenzüberschreitenden Sachverhalten zu Minderbesteuerungen führen würden. Diese Abwehrregelungen finden sich überwiegend in § 4k EStG und werden

  • auf strukturierte Gestaltungen,
  • auf Sachverhalte zwischen nahestehenden Personen,
  • auf Betriebsstättenkonstellationen oder
  • bei abgestimmtem Verhalten angewendet.

Die wichtigsten Adressaten der Norm dürften gleichwohl in der Praxis deutsche Mitglieder internationaler Konzerne sein.

Die Fallgruppen und jeweiligen Abwehrmechanismen des § 4k EStG lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Fallgruppe Grundsätzlicher Abwehrmechanismus
1. Deduction-/Non-Inclusion-Inkongruenz: Steuerlicher Ausgabenabzug in einem Staat, ohne dass im anderen Staat die korrespondierenden Erträge besteuert werden. a. Kein Ausgabenabzug, soweit entsprechende Erträge wegen abweichender Qualifikation oder Zurechnung des Kapitalvermögens im Ausland nicht oder nur niedriger besteuert werden (§ 4k Abs. 1 EStG).
b. Kein Ausgabenabzug, soweit entsprechende Erträge aufgrund abweichender Behandlung des Steuerpflichtigen (oder in Betriebsstättenfällen: aufgrund abweichender Beurteilung anzunehmender schuldrechtlicher Beziehungen) im Ausland tatsächlich nicht besteuert werden (§ 4k Abs. 2 Satz 1 EStG).
c. Besteuerung von Erträgen des Anteilseigners, soweit für entsprechende Aufwendungen wegen abweichender Behandlung der hybriden Gesellschaft im Ausland ein Ausgabenabzug erfolgt (§ 4k Abs. 2 Satz 2 EStG)
d. Kein Ausgabenabzug, soweit Erträge aufgrund abweichender Zuordnung oder Zurechnung der Erträge selbst im Ausland keiner tatsächlichen Besteuerung unterliegen (§ 4k Abs. 3 EStG)
2. Double-Deduction-Inkongruenz: Systemwidriger steuerlicher Abzug derselben Ausgaben in mehreren Staaten. Kein Ausgabenabzug, soweit die Aufwendungen im Ausland nochmals abgezogen werden (§ 4k Abs. 4 EStG).
3. Imported Mismatches: Aus inländischen Aufwendungen unmittelbar oder mittelbar resultierenden ausländischen Erträgen stehen Aufwendungen gegenüber, die bei Verwirklichung dieses Sachverhalts in Deutschland die Anwendung des § 4k EStG in den vorgenannten Fallgruppen auslösen würden, ohne dass diese Besteuerungsinkongruenz im Ausland neutralisiert wird. Kein Ausgabenabzug, soweit die steuerliche Wirkung von Besteuerungsinkongruenzen im Ausland durch den Steuerpflichtigen ins Inland importiert wird (§ 4k Abs. 5 EStG).

Entwurf eines BMF-Schreibens

Zu § 4k EStG hatte das BMF am 13.07.2023 den Entwurf einer umfangreichen Verwaltungsanweisung herausgegeben. Daraus sind folgende Aspekte hervorzuheben:

Generell gibt der BMF-Entwurf vielfach inhaltlich lediglich das Gesetz bzw. Selbstverständlichkeiten wieder. Zahlreiche umstrittene Bereiche werden hingegen nicht thematisiert, sodass noch keine umfassenden Hinweise in Richtung einer Sicherheit bei der praktischen Rechtsanwendung abgeleitet werden können. Für folgende Fälle gibt der Entwurf unter anderem jedoch hilfreiche Antworten, die bisher für die Auslegung des Gesetzes umstritten waren:

  • Im Sinne der o. g. Fallgruppe 1.a. werden Zinsaufwendungen in der Konstellation grundsätzlich nicht zum Abzug in Deutschland zugelassen , wie sie in der folgenden Abbildung skizziert ist und wie sie sich z. B. bei Genussrechten, Wandelanleihen oder anderen hybriden Finanzinstrumenten ergeben kann:
  • In Bezug auf diese Besteuerungsinkongruenz betont das BMF allerdings, dass der Abwehrmechanismus nur zur Anwendung gelangt, wenn die Inkongruenz für die Nicht-/Niedrigbesteuerung ursächlich sei. Von einer ausländischen Nichtbesteuerung könne demnach z. B. dann nicht mehr gesprochen werden, wenn die Zinserträge im Ausland z. B. einer Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen. Eine Niedrigbesteuerung soll hingegen immer dann anzunehmen sein, wenn die Besteuerung niedriger ausfällt als wenn die Zuordnung/Zurechnung in Übereinstimmung mit der deutschen Rechtsauffassung eingetreten wäre.
     
  • In der o. g. Fallgruppe 1.b. werden Zinsaufwendungen einer deutschen GmbH in der Konstellation, wie sie in der folgenden Skizze dargestellt ist, grundsätzlich nicht zum Abzug zugelassen:
  • Da diese Fallgruppe nicht nur Zinsaufwand, sondern auch z. B. Lizenz-/Miet- bzw. Dienstleistungsentgelte oder Abschreibungen auf angeschaffte Wirtschaftsgüter erfassen kann, geht der Anwendungsbereich dieser Regelung weit über das dargestellte einfache Beispiel hinaus.
     
  • In der erwähnten Fallgruppe 1.c. geht es beispielsweise um eine Konstellation, wie in der folgenden Skizze abgebildet:
     
  • Da Deutschland die ausländische B Co. steuerlich als Personengesellschaft einordnet, wertet es die Zinsen, welche die B Co. an die A GmbH grundsätzlich insoweit im Ergebnis als steuerlich „nicht existent“, wie die A GmbH an der B. Co. beteiligt ist (hier: 90%). Aufgrund der ausländischen steuerlichen Behandlung der B Co. wie eine Kapitalgesellschaft (sog. „Intransparenz“) seien die Zinsaufwendungen hingegen im Ausland steuerlich voll abzugsfähig. Zur Beseitigung dieser Besteuerungsinkongruenz wird nun durch § 4k EStG angeordnet, dass Deutschland die Zinserträge der A zu 100% (und nicht nur zu 10%) besteuert.
     
  • Subsidiär zu den vorangestellten Fallgruppen werden in der o. g. Fallgruppe 1.d. beispielsweise Konstellationen erfasst, bei denen zwei Staaten eine Betriebsstätte in einem dritten Staat annehmen und sie daher als Objekt der Gewinnzuordnung ansehen, während der letztgenannte Staat eine Betriebsstätte verneint und daher nicht besteuert:
  • Der BMF-Entwurf enthält zu diesem wie auch zu anderen Fällen dieser Gruppe (umgekehrt hybride Gesellschaften etc.) z. T. detaillierte und anhand von Beispielen erläuterte Ausführungen, aus denen sich für die Rechtsanwendung hilfreiche Erkenntnisse gewinnen lassen.
     
  • In der Fallgruppe 2 werden subsidiär zur Fallgruppe 1 Besteuerungsinkongruenzen behandelt, bei denen es in mehreren Staaten zu einem steuerlichen Ausgabenabzug, d. h. der Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage kommt. Dies kann z. B. in einer Konstellation auftreten, wie sie in der folgenden Abbildung skizziert ist:
  • Die Ausführungen des BMF sind kurz und abstrakt gehalten, beinhalten aber dennoch einige nützliche Hinweise auf die zu erwartende endgültige Verwaltungsauffassung - so z. B. auch dass auch ein Aufwandsabzug im Rahmen einer Hinzurechnungsbesteuerung einen potenziell schädlichen Aufwandsabzug im Sinne dieser Regelungen darstellen soll.
     
  • Importierte Besteuerungsinkongruenzen (Fallgruppe 3) betreffen mehrstufige Strukturen, wie z. B. in der nachfolgenden Abbildung dargestellt. Im dargestellten Fall versagt Deutschland den Betriebsausgabenabzug für den Zins, abweichend von seinen grundsätzlichen Regeln, obwohl die Besteuerungsinkongruenz erst im Verhältnis zwischen A Co und B S.a.r.l., entsteht:
  • Die Ausführungen des BMF-Entwurfs sind relativ ausführlich gehalten und durch verschiedene Beispiele erläutert. Dabei stellt das BMF z. B. die Regel auf, dass die Prüfungsreihenfolge beim unmittelbaren Gläubiger des deutschen Steuerpflichtigen beginnt und sich ggf. dann auf jeweils nächsthöherer Stufe fortsetzt.
     
  • Darüber hinaus geht der BMF-Entwurf auch auf die im Gesetz vorgesehen Escape-Möglichkeiten ein, beispielsweise die voraussichtliche Beseitigung der Besteuerungsinkongruenz in einem künftigen Besteuerungszeitraum sowie den Nachweis einer doppelten steuerlichen Berücksichtigung von Erträgen.

Fazit

In einigen Bereichen des BMF-Entwurfs ist das deutliche Bemühen der Verwaltung zu erkennen, den Anwendungsbereich der Abwehrregelungen auf ein für den Steuerpflichtigen wie auch für die Verwaltung selbst überschaubares Maß zu begrenzen. Wenngleich auch angesichts der komplexen und umfangreichen Materie fast nicht anders zu erwarten ist, schafft der Entwurf allerdings keine umfassende und tiefgehende Klarheit in Bezug auf die Verwaltungsauffassung. Es besteht daher auch weiterhin z. T. erhebliche Unsicherheit. Dies gilt umso mehr, da sich der Entwurf allein auf § 4k EStG bezieht und nicht die Umsetzung anderer, flankierender Maßnahme der ATAD ins deutsche Steuerrecht behandelt.

Zudem bleibt abzuwarten, inwieweit das endgültige BMF-Schreiben dem gegenwärtigen Entwurf gleicht, oder inwieweit die Anregungen und Verbesserungsvorschläge aus den inzwischen vorliegenden, unterschiedlichen Stellungnahmen z. B. der DIHK oder der BStBK noch Berücksichtigung finden. Dass das BMF das Anwendungsschreiben bis heute (12.12.2023) noch nicht veröffentlicht hat, obwohl die erwähnten Stellungnahmen bis 31.08.2023 vorlagen, lässt jedenfalls vermuten, dass es hinter den Kulissen noch erheblichen Abstimmungsbedarf gibt.

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