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Reichweiten der Steuerbefreiungen gem. § 4 Nr. 12 und 13 UStG

Begriffliche Abgrenzungen und Befreiungstatbestände

Die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken in Deutschland stellt umsatzsteuerlich eine steuerbare sonstige Leistung dar. Der Ort der Leistung befindet sich bei einer sonstigen Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück gem. § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG immer dort, wo das Grundstück liegt (sog. Belegenheitsprinzip). Aus diesem Grund spielen bei der Ortsbestimmung die Ansässigkeiten des Leistenden sowie des Leistungsempfängers keine Rolle. Grundsätzlich sind Vermietungen von Grundstücken, aber auch etwaige Leistungen von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) gem. § 4 Nr. 12 bzw. 13 UStG steuerbefreit. Unternehmer können, soweit die gesetzlich definierten Voraussetzungen erfüllt sind, zur Umsatzsteuer optieren. Die Voraussetzungen für die Optionsmöglichkeit sind in § 9 UStG geregelt und in dem folgenden Beitrag gesondert dargestellt.

Begriffliche Abgrenzungen

Vermietung und Verpachtung

Bei einer Vermietung und Verpachtung überlässt der Vermieter dem Mieter zeitlich begrenzt ein Grundstück (Vermietungsleistung). Die umsatzsteuerliche Behandlung ist dabei immer an den objektiven Inhalt der Vereinbarung geknüpft. Die Bezeichnung im Vertrag hat daher nur einen indiziellen Charakter. Im Kern überträgt der Vermieter dem Mieter nach der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie das Recht zur Inbesitznahme eines Grundstücks gegen Zahlung eines Mietzinses für eine bestimmte Zeit. 

Bei einer Verpachtung hingegen gewährt der Verpächter das Recht des Gebrauchs und der Fruchtziehung einer Sache oder eines Rechts auf eine bestimmte Zeit. Somit liegt der Unterschied zu einer reinen Vermietung darin, dass bei der Verpachtung der Pächter nicht nur das Grundstück nutzen darf, sondern daraus auch Erträge erzielen und einbehalten darf.

Grundstück

Zivilrechtlich ist ein Grundstück ein räumlich abgrenzbarer Teil der Erdoberfläche, der im Grundbuch eingetragen ist. Die wesentlichen Bestandteile (wie z.B. Gebäude) gehören ebenfalls zum Grundstück. Für die Umsatzsteuer definiert Abschn. 3a.3 Abs. 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses den Begriff des Grundstücks anhand des unionsrechtlichen Grundstücksbegriffs. Danach ist ein Grundstück ein bestimmter über- oder unterirdischer Teil der Erdoberfläche, an dem Eigentum und Besitz begründet werden kann. Dazu gehören jegliche mit oder in dem Boden befestigte Gebäude oder anderweitige Bauwerke, die nicht leicht abgebaut oder bewegt werden können. Zum Grundstück gehört darüber hinaus jede Sache, die einen wesentlichen Bestandteil des Gebäudes oder Bauwerks darstellt und ohne die das Gebäude oder Bauwerk unvollständig wäre. Außerdem erfasst die umsatzsteuerliche Definition Sachen, Ausstattungsgegenstände oder Maschinen, die langfristig installiert sind und nicht ohne die Zerstörung oder Änderung des Gebäudes entfernt werden können. 

Sprachlich fallen die zivilrechtlichen und umsatzsteuerlichen Definitionen also auseinander, inhaltlich decken sie sich jedoch größtenteils. Während nach dem Zivilrecht ein Gebäude fest mit dem Grund und Boden verbunden sein muss, darf es nach der umsatzsteuerlichen Definition nicht leicht demontiert und ersetzt werden können. 

Hinweis: Allerdings ist für die umsatzsteuerliche Behandlung der unionsrechtliche Grundstücksbegriff nach dem Umsatzsteuer-Anwendungserlass ausschlaggebend. 

Vertragstypen

Im Wesentlichen unterscheidet man für umsatzsteuerliche Zwecke zwischen reinen Miet- oder Pachtverträgen, gemischten Verträgen und Verträgen besonderer Art. Diese Vertragstypen unterscheiden sich wie folgt:

  • Beim klassischen Miet- oder Pachtvertrag steht die Einräumung des Gebrauchs im Mittelpunkt. Hierunter fallen z.B. klassische Mietverträge zur Wohnraumüberlassung.
  • Bei einem gemischten Vertrag sind sowohl Merkmale einer Vermietung bzw. Verpachtung als auch Merkmale anderer Leistungen enthalten. Entscheidend für den gemischten Vertrag ist, dass keine Leistung die Gesamtheit des Vertrags derart prägt, dass umsatzsteuerlich eine einheitliche Leistung vorliegt, sodass damit jedes Leistungselement beachtlich bleibt. Die umsatzsteuerliche Beurteilung der verschiedenen Leistungen bei gemischten Verträgen muss dann getrennt voneinander erfolgen.
  • Kann zwischen den einzelnen Leistungsinhalten nicht mehr eindeutig getrennt werden und sind diese zusätzlich stark miteinander verbunden, so liegt ein Vertrag besonderer Art vor. Die Gebrauchsüberlassung tritt hier in den Hintergrund und eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG kommt nicht mehr in Betracht. 

In der Praxis ist die Unterscheidung der Verträge oft schwierig, da die Grenzen zwischen gemischten Verträgen und Verträgen besonderer Art meist fließend sind.

Hinweis: Deshalb liegt auch unterschiedliche Rechtsprechung vor. Einerseits hat der EuGH zu Altenwohnheimen im Jahr 2016 geurteilt, dass die Beherbergungsleistungen durch die Pflegeleistungen überlagert werden und insoweit keine unterschiedlich zu beurteilenden Leistungen mehr vorliegen, sondern vielmehr eine als eine Einheit zu beurteilende Pflegeleistung. Andererseits hatte zuvor der BFH bereits im Jahr 2011 bei Vorliegen von zwei gesonderten Verträgen zu den vorstehenden Leistungen entschieden, dass es sich hierbei umsatzsteuerlich um zwei separat zu beurteilende Leistungen handelte, bei dem weder die Wohnraumüberlassung noch die pflegerischen Leistungen die jeweils andere Leistungsart überlagert habe.

Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG

Umfang

Unter die Steuerbefreiung der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und Grundstücksteilen (wie Gebäude, Gebäudeteile, Wohnungen, Räume, etc.)  nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG fallen (bisher jedenfalls, vgl. möglicherweise neue Zuordnungsregeln gem. den Ausführungen im Beitrag „Ausübung des umsatzsteuerlichen  Zuordnungswahlrechts“) auch die damit in unmittelbaren Zusammenhang stehenden Nebenleistungen wie z.B. die Lieferung von Wärme und Wasser, Kosten der Müllabfuhr, Gartenpflege, Versicherungen sowie die mitvermieteten oder mitverpachteten Einrichtungsgegenstände. Letzteres betrifft konkret z.B. die Überlassung von Waschmaschinen, Treppenbeleuchtung, Fahrstühlen oder der Wohnung zugehörige Fahrzeugstellplätze.

Gem. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. c UStG sind die Bestellung, die Übertragung und die Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken steuerbefreit. Hierzu gehören insbesondere der Nießbrauch, die Grunddienstbarkeit oder das Dauerwohnrecht. Ein klassisches Beispiel ist hier die Einräumung eines Wegerechts. 

Hinweis: Zu beachten ist, dass die Bestellung des Rechts vom Begriff der Vermietung und Verpachtung erfasst ist.

Ausnahmen von der Steuerbefreiung

(1) Kurzfristige Vermietung: Ausgenommen von der o.g. Steuerbefreiung gem. Nr. 12 sind jedoch die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die Vermietung von Plätzen zum Abstellen von Fahrzeugen (soweit keine Nebenleistung), die kurzfristige Vermietung von Flächen auf Campingplätzen und die Vermietung und Verpachtung von Maschinen, die zu einer Betriebsanlage gehören, auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Bei der kurzfristigen Vermietung sind insbesondere Hotels oder Pensionen gemeint. Hier liegt eine umsatzsteuerpflichtige Leistung vor. Aber auch die kurzfristige Vermietung von z.B. Ferienwohnungen oder Zimmern außerhalb eines Gewerbebetriebs ist steuerpflichtig. Umsatzsteuerlich spricht man von einer kurzfristigen Vermietung, wenn die Vermietung nicht länger als sechs Monate angedacht ist. Analog der kurzfristigen Vermietung von Wohn- und Schlafräumen ist die kurzfristige Vermietung von Campingplätzen nicht von der Steuerbefreiung gedeckt. Im Gegensatz zur Wohnungsvermietung kommt es allerdings für den Sechs-Monatszeitraum nicht auf die Absicht des Vermieters an, sondern auf die tatsächliche Mietdauer. 

(2) Stellplätze: Bei der Vermietung eines Fahrzeugstellplatzes spielt die zeitliche Komponente keine Rolle. Die Vermietung ist grundsätzlich steuerpflichtig. Eine Steuerbefreiung kommt nur in Frage, wenn die Vermietung des Stellplatzes als unselbständige Nebenleistung zu einer steuerfreien Grundstücksvermietung anzusehen ist. Dies ist dann der Fall, wenn sowohl der Parkplatz als auch die Wohnung Teil desselben Gebäudekomplexes sind und beide Gegenstände von demselben Vermieter an denselben Mieter vermietet werden.

(3) Betriebsvorrichtungen: Auch die Verpachtung von Betriebsvorrichtungen fällt nicht unter die Steuerbefreiung gem. Nr. 12. Der Begriff der Betriebsvorrichtung lehnt sich an das Bewertungsrecht an. Hierfür ist vorgesehen, dass Betriebsvorrichtungen von Gebäuden, einzelnen Teilen eines Gebäudes und Außenanlagen abzugrenzen sind. Dementsprechend sind Betriebsvorrichtungen nicht nur Maschinen und maschinenähnliche Vorrichtungen, sondern auch Vorrichtungen, die in besonderer und unmittelbarer Beziehung zu dem auf dem Grundstück ausgeübten Gewerbebetrieb stehen wie z.B. Türme von Windkraftanlagen. Die Frage, ob die Vermietung von Grundstücken mit Betriebsvorrichtungen eine notwendige Aufteilung in eine steuerbefreite Grundstücksvermietung und in die steuerpflichtige Vermietung von Betriebsvorrichtungen bewirkt oder die (Mit-)Vermietung der Betriebsvorrichtungen eine Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Grundstücksvermietung darstellt, ist derzeit beim EuGH anhängig.

(4) Einrichtungsgegenstände: In Bezug auf die Mitvermietung von Einrichtungsgegenständen hat der BFH regelmäßig entschieden, dass eine Verpachtung von Einrichtungsgegenständen, die für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der jeweiligen Immobilie zwingend erforderlich sind und diesen somit erst betriebs- und benutzungsfähig machen, der steuerfreien Verpachtung zuzuordnen sein kann.

Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 13 UStG

Der Zweck dieser Norm besteht darin, Wohnungseigentümer und Eigentümer von Grundstücken gleichzustellen, sodass Leistungen der Gemeinschaft an einzelne Mitglieder steuerfrei sein können. Hierunter fallen Gebühren, Müllabfuhr, Straßenreinigung, Flurbeleuchtung etc., die als Umlagen erhoben werden und steuerbare Sonderleistungen darstellen. Wird die Verwaltung von einem selbständigen Hausverwalter übernommen, sind diese Leistungen nicht von der Umsatzsteuer befreit.

Hinweis: Mit Urteil vom 17.12.2020 (Rs. C-449/19) hat der EuGH entschieden, dass die deutsche Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 13 UStG keine unionsrechtliche Grundlage in der MwStSystRL hat. Sollte der deutsche Gesetzgeber allerdings § 4 Nr. 13 UStG aufheben, droht für alle Wohnungseigentümergemeinschaften, die nicht bereits zur Umsatzsteuerpflicht optiert haben, zusätzlicher Verwaltungsaufwand. Insoweit bleibt abzuwarten, wie lange der deutsche Gesetzgeber diese Steuerbefreiung entgegen dem Unionsrecht aufrechterhalten wird.

Empfehlung: Die Steuerbefreiung von Grundstücksvermietungen und -verpachtungen enthält viele Facetten und ist ein nicht immer einfach zu durchschauendes Gebilde. Neben zeitlichen Aspekten ist auch die Gesamtbetrachtung von Haupt- und Nebenleistung zu beachten, um den Einzelfall umsatzsteuerlich korrekt abzubilden (vgl. dazu den früheren 
Beitrag). Daher empfiehlt es sich, im Zweifelsfall Berater hinzuziehen.

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