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Pflichten der Gesellschaftsorgane in der (Corona-)Krise

Insolvenzrechtliche Betrachtung

Die Bedeutung der insolvenzrechtlichen Pflichten der Gesellschaftsorgane (z. B. GmbH-Geschäftsführer, AG-Vorstände) erfahren bedingt durch die Corona-Pandemie eine außerordentliche Aufwertung. Handlungsweisen und Planung aus Zeiten vor der Corona-Krise haben unter Umständen ihre Gültigkeit verloren. Damit sich die Mitglieder der Gesellschaftsorgane nicht selbst Strafbarkeitsrisiken und erheblichen zivilrechtlichen Haftungsrisiken aussetzen, sind die individuell erforderlichen Anpassungsmaßnahmen an die krisenbedingt geänderten Strukturen dringend festzustellen.

Die nachstehende Darstellung ist nicht umfassend und stellt lediglich einige wesentliche Aspekte heraus.

Insolvenzantragspflicht

Durch die Intensivierung einer unternehmensindividuellen Krise rücken die Gläubigerinteressen in den Mittelpunkt des Pflichtenkreises des zuständigen Organs. Ausfluss dieser Verpflichtung gegenüber den Gläubigerinteressen ist insbesondere die Verpflichtung zur Stellung eines Insolvenzeröffnungsantrages gemäß § 15a Insolvenzordnung (InsO).

Dabei kann die Pflicht zur Stellung eines Eröffnungsantrages nicht nur die zur Vertretung berufenen Gesellschaftsorgane betreffen, sondern im Ausnahmefall der Führungslosigkeit der Gesellschaft auch die Gesellschafter selbst.

Sofern ein Insolvenzgrund (Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung) vorliegt, ist z. B. der GmbH-Geschäftsführer verpflichtet, beim zuständigen Insolvenzgericht einen Antrag auf Eröffnung zu stellen. Sofern bei Eintritt des Insolvenzgrundes die begründete Aussicht auf erfolgreiche Sanierung bestand, wird dem Geschäftsführer eine dreiwöchige Antragsfrist eingeräumt. Besteht jedoch im jeweiligen Einzelfall nicht eine begründete Aussicht auf Sanierung, hat der Geschäftsführer unverzüglich einen Antrag zu stellen.

Kommt der Geschäftsführer dieser Pflicht nicht nach, oder stellt sich nach Ablauf der Drei-Wochen-Frist heraus, dass die Gesellschaft bereits seit drei Wochen (oder länger) zahlungsunfähig oder überschuldet war und wird das Insolvenzverfahren trotz der zunächst begründeten Erfolgsaussichten eröffnet, besteht gemäß § 64 GmbHG [bzw. § 92 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG)] ein erhebliches zivilrechtliches Haftungsrisiko. Dieses Haftungsrisiko des Geschäftsführers trifft ihn persönlich und unbeschränkt. Der Geschäftsführer haftet im Rahmen dieser Masseschmälerungshaftung für sämtliche Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet wurden.

Riskante Deckungslücken bei D&O-Versicherungen

Hinzu kommt, dass nach einem Grundsatzurteil des Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf sogenannte D&O-Versicherungen für u. a. Vorstände und Geschäftsführer grundsätzlich nicht eintreten müssen, wenn ein Geschäftsführer für Zahlungen haftbar gemacht wird, die nach der materiellen Insolvenzreife geleistet wurden. Denn die Versicherung diene regelmäßig den Interessen des insolventen Unternehmens selbst und nicht den Interessen der Gläubigergesamtheit. Anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn derartige Ansprüche in den Versicherungsbedingungen explizit aufgeführt sind.

Entschärfung der Haftungsgefahren durch die Corona-Krise?

In Anbetracht der dynamischen Entwicklungen im Rahmen der Corona-Krise und dem Risiko, dass nunmehr zeitnah einer Vielzahl von Gesellschaften der Eintritt der Insolvenzreife droht, ist die vorbezeichnete strafrechtliche Drei-Wochen-Frist zu kurz bemessen.

Deshalb wird gegenwärtig vom BMJV¹ ein Gesetz zur Aussetzung der Insolvenzantragspflicht für durch die Corona-Pandemie geschädigte Unternehmen erarbeitet.

Demnach soll die Insolvenzantragspflicht bis zum 30.09.2020 ausgesetzt werden, sofern ein Unternehmen nachweislich infolge der Corona-Pandemie in eine finanzielle Schieflage geraten ist.

Gemäß § 1 S. 3 des Entwurfs zum Corona-Insolvenz-Aussetzungsgesetz (CorInsAG-E) wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, wenn der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig war.

Die Aussetzung gilt jedoch nicht, wenn:

  1. die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus beruht oder
  2. keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Die im Gesetzesentwurf gewählte Formulierung lässt vermuten, dass der Gesetzgeber bewusst darauf verzichten möchte, die Sanierungsfähigkeit des Unternehmens als Bedingung für die verlängerte Aussetzungsfrist ins Gesetz aufzunehmen. Hierdurch könnten die Nachweispflichten für den Schuldner, wenn es um die Frage geht, ob ein Schuldner von der verlängerten Aussetzungsfrist profitiert, deutlich erleichtert werden. Es wäre nicht mehr ein vollumfängliches Sanierungskonzept nach IDW S6 zu erstellen, sondern nur eine Zahlungsunfähigkeitsprüfung vorzunehmen.

Sollte in einem späteren Insolvenzverfahren der Insolvenzverwalter davon überzeugt sein, dass die Vermutungsregel des § 1 S. 3 CorInsAG zu widerlegen ist, trifft den Insolvenzverwalter die Beweislast hierfür. Die Anforderungen denen der spätere Insolvenzverwalter diesbezüglich gerecht werden muss, sollen gemäß der Gesetzesbegründung hoch sein.

Gesellschaftsorgane von Unternehmen, welche bereits zu Beginn der Corona-Pandemie akut kriselten, sind jedoch gut beraten, eigene Kausalitätsnachweise der Krise für den Eintritt der Insolvenzreife zu dokumentieren. Die konkreten Auswirkungen der Corona-Pandemie können und sollten z. B. durch entsprechende Planungs- und Liquiditätsrechnungen dokumentiert werden.

Der Gesetzesentwurf zum CorInsAG sieht zudem vor, dass im Rahmen der Masseschmälerungshaftung (§ 64 GmbHG; § 92 Abs. 2 AktG; § 130a i. V. m. § 177a HGB; § 99 Abs. 2 GenG) Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne entsprechenden Haftungsnormen gelten. Durch diese Fiktion wird das Haftungsrisiko für die Gesellschaftsorgane kriselnder Gesellschaften erheblich reduziert.

Allerdings besteht auch hier die Gefahr einer „Haftungsfalle“. Denn die Erleichterung im Rahmen der Masseschmälerungshaftung gelte nur, soweit nach § 1 CorInsAG-E die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages ausgesetzt ist. Dies bedeutet im Klartext, dass, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des Corona-Virus beruht oder keine Aussichten darauf bestehen eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen, die Haftungserleichterung keine Anwendung findet und für die Gesellschaftsorgane ein erhebliches persönliches zivilrechtliches Haftungsrisiko besteht.

Dieses Haftungsrisiko können die Gesellschaftsorgane gegenwärtig nur durch eine entsprechende Dokumentation der Auswirkung der Corona-Pandemie auf den Betrieb oder eben durch die Stellung eines Insolvenzantrages minimieren.

Unternehmen mit bislang positiver Fortbestehenssprognose

Sofern Gesellschaftsorgane vor der Corona-Krise im Rahmen der Prüfung der Insolvenzreife des eigenen Unternehmens bei Vorliegen einer bilanziellen Überschuldung von einer positiven Fortbestehensprognose ausgegangen sind, ist je nach Branche und Unternehmen nunmehr Handlungsbedarf gegeben. Aufgrund krisenbedingt auf den Kopf gestellten Beschaffungs-, Absatz-, Personalsituationen sind die einst bei Erstellung der Fortbestehensprognose verwandten Ausgangsdaten ggf. zur Begründung einer weiterhin tragfähigen Fortbestehensprognose nicht mehr haltbar. Ergibt sich aufgrund der aktuellen und angepassten Daten, dass dem Unternehmen von nun an keine positive Fortbestehensprognose mehr zu stellen ist, ist das Unternehmen insolvenzreif, sofern eine Sanierung nicht möglich ist.

Haftungsreduzierung durch Ressortaufteilung

Eine Haftungsreduzierung durch eine Ressortaufteilung zwischen den Geschäftsführern einer GmbH kann in Einzelfällen erreicht werden. Beispielsweise ist ein Geschäftsführer für den gesamten kaufmännischen Bereich zuständig, ein anderer für den technischen Geschäftsbereich. Die Anforderungen an eine wirksame Ressortaufteilung sind jedoch hoch.

Grundsätzlich ist eine umfassende Entledigung potentieller Haftungsrisiken durch eine Ressortaufteilung nicht erreichbar. Es kann lediglich erreicht werden, dass sich die Pflichten der Geschäftsführer von Handlungspflichten in Kontroll- und Überwachungspflichten umwandeln. Letztendlich bleibt die Haftung jedoch bestehen. Die Verwirkung des Haftungstatbestandes ist dann jedoch an die Darlegung einer anderslautenden Pflichtverletzung (Kontrolle und Überwachung der anderen Ressorts) geknüpft.

Zeigt sich allerdings, dass die Aufgaben des Ressorts, welches für die Überwachung der Liquidität und der Überschuldung zuständig sind, unzureichend erfüllt werden, besteht ebenfalls für den eigentlich ressortfernen Geschäftsführer eine Pflicht zum Tätigwerden. Wurden dem ressortfremden Geschäftsführer Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung bekannt, leben seine durch die Ressortaufteilung abgeschnittenen Verantwortungsbereiche gewissermaßen wieder auf. Generell gilt, dass in einer finanziellen Krise auch für den ressortfremden Geschäftsführer erhöhte Prüfungspflichten bestehen.

Vorinsolvenzrechtliche Haftungsrisiken

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Gesellschaftsorgane auch vorinsolvenzlich diverse Sorgfaltspflichten zu beachten haben (§ 43 GmbHG; § 93 AktG). Der Maßstab ist hier die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes/Geschäftsleiters. Verletzen die Gesellschaftsorgane diese Pflichten, sind sie der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Die Fülle der unter diesem Aspekt zu beachtenden denkbaren Pflichtverletzung – gerade auch vor dem Aspekt der Corona-Pandemie – zieht sich quer durch alle Rechtsbereiche – beispielhafte Stichwörter: Fürsorgepflichten gegenüber den Arbeitnehmern, Inanspruchnahme diverser Hilfsmaßnahmen etc. Diese Ersatzansprüche der Gesellschaft gegenüber ihren Organen werden in einem (möglichen späteren) Insolvenzverfahren zwar durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht, es handelt sich jedoch um spezifisch gesellschaftsrechtliche Ansprüche. Auf eine gesonderte Darstellung im Rahmen dieses insolvenzrechtlichen Beitrages wird daher verzichtet.

¹ Bundesministerium für Justiz und Verbraucher

 

Weitere Informationen finden Sie hier:

Corona-Krise – Erste Hilfe von PKF

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