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Haupt- und Nebenleistungen im Rahmen von Grundstücksvermietungen

Vielfältige und komplizierte Abgrenzungsfragen

Die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenleistungen im Rahmen von Grundstücksvermietungen ist seit jeher ein Auslöser von Streitigkeiten zwischen Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung. Hintergrund ist das Spannungsverhältnis zwischen der einerseits gem. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG bestehenden Umsatzsteuerbefreiung für Leistungen der Grundstücksüberlassung und der andererseits gegensätzlichen Umsatzsteuerpflicht für die Vermietung beweglicher Wirtschaftsgüter oder sonstiger Leistungen.

Haupt- und Nebenleistungen

Im Umsatzsteuerrecht gilt der Grundsatz, dass Nebenleistungen das (Besteuerungs-)Schicksal der Hauptleistungen teilen. Für Vermieter heißt das: Umsatzsteuerfrei sind nur die Leistungen der Grundstücksüberlassung (also in aller Regel die Vermietung) und die dazugehörigen Nebenleistungen. Andere Leistungen sind hingegen umsatzsteuerpflichtig.

Eine Leistung stellt eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung dar, wenn sie aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.  

Eine einheitliche Leistung liegt immer dann vor, wenn mehrere Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Leistungsempfänger so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Auftrennung wirklichkeitsfremd wäre. 

Der Unterscheidung von Haupt- und Nebenleistungen kommt somit eine wesentliche Bedeutung zu. 

Unklare Rechtslage aufgrund uneinheitlicher Rechtsprechung

Die deutsche Finanzverwaltung geht auf der Basis älterer BFH-Urteile grundsätzlich noch davon aus, dass die steuerfreie Leistung der Vermietung und Verpachtung auch die damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden üblichen Nebenleistungen umfasst. Bereits in den 70iger Jahren hatten die Münchener Richter des BFH so entschieden. Dabei handelt es sich um Leistungen, die im Vergleich zur Grundstücksvermietung nebensächlich sind, mit ihr eng zusammenhängen und in ihrem Gefolge üblicherweise vorkommen. Als solche Nebenleistungen sind vorrangig die Lieferung von Wärme, die Wasserversorgung, Reinigungsleistungen betreffend Flur und Treppen sowie die Lieferung von Strom durch den Vermieter zu nennen.

Entsprechende grundsätzliche Festlegungen sind dagegen in der Rechtsprechung des EuGH nicht erkennbar. Im Widerspruch zu den grundsätzlichen Aussagen der deutschen Finanzverwaltung wurden seitens des EuGH einzelfallbezogen bereits einzelne Komponenten von Mietverhältnissen als eigenständig zu beurteilende Hauptleistungen eingestuft.

Beurteilung einzelner Nebenleistungen

Wärme und Warmwasser

Während die deutsche Finanzverwaltung die Belieferung von Wärme an Mieter im Rahmen eines Mietverhältnisses grundsätzlich als Nebenleistung zur Grundstücksüberlassung einstuft, sieht der EuGH in dieser Lieferung eine eigenständige umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung.

Auf der Basis dieser EuGH-Rechtsprechung ist aktuell ein Verfahren vor dem BFH unter dem Az. V R 15/21 anhängig. Das vorinstanzliche Finanzgericht Münster (FG) hatte die Lieferung von Wärme und Warmwasser mit Verweis auf die EuGH-Rechtsprechung (Urteile vom 11.6.2009, Rs. C-572/07, und 16.4.2015, Rs. C-42/14)  – der Vorgehensweise des Steuerpflichtigen folgend – als eigenständige umsatzsteuerpflichtige Hauptleistung angesehen. Demzufolge war die Vorsteuer aus der Neuanschaffung einer Heizungsanlage abziehbar.

Strom

Ebenfalls vor dem BFH anhängig ist die Frage, ob die Belieferung mit Strom aus einer Photovoltaikanlage an Mieter im Rahmen eines Mietverhältnisses eine selbständige Hauptleistung darstellt (BFH-Az.: XI R 8/21). Das hatte das Niedersächsische FG in der ersten Instanz so entschieden. Der Vermieter hatte mit Hilfe einer auf dem Gebäude installierten Photovoltaikanlage Strom erzeugt und diesen an seine Mieter geliefert. Hintergrund ist auch hier der mögliche Vorsteuerabzug aus den Kosten der Photovoltaikanlage und der dazugehörenden Installationen im Haus.

Mitvermietungen

Inventar

Im Hinblick auf die Mitvermietung von Inventar ist sowohl in der Rechtsprechung des BFH als auch der des EuGH eine einheitliche Tendenz zu erkennen, diese unter bestimmten Voraussetzungen als Nebenleistungen einzustufen. So hatte der BFH in einem Urteil aus 2015 entschieden, dass im Rahmen der Vermietung eines Seniorenwohnparks überlassenes Inventar wie Pflegebetten oder andere speziell abgestimmte Ausstattungselemente als Nebenleistung zu der steuerfreien Gebäudeüberlassung zu qualifizieren ist, da diese zum Betrieb eines Seniorenheims zwingend erforderlich waren.  

Ebenso hat der EuGH für den Fall der Mitvermietung von Inventar im Rahmen einer Vermietung von Räumlichkeiten zum Betrieb eines Restaurants entschieden, dass eine einheitliche Leistung dann vorliegt, wenn die Vermietung des Inventars keinen eigenen Zweck verfolgt, sondern erforderlich ist, um die Verpachtung der Immobilie als Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Im entschiedenen Fall lässt sich nach der Auffassung des Gerichts die Vermietung des Inventars nicht von der Verpachtung der Immobilie trennen.

Betriebsvorrichtungen: Einheitlichkeit der Leistung oder Aufteilungsgebot?

Die Frage, ob im Rahmen von steuerfrei vermieteten Gebäuden mitvermietete Betriebsvorrichtungen (wie z.B. ein Fahrstuhl oder ein Hausbriefkasten für Warenlieferungen) ebenfalls umsatzsteuerfrei vermietet werden können, ist derzeit Gegenstand eines Vorlagebeschlusses beim EuGH. Die zu klärende Frage betrifft vorrangig die Auslegung des Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL, der in Deutschland in § 4 Nr.12 Satz 2 UStG umgesetzt wurde. Nach dieser Vorschrift gilt die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL (bzw. § 4 Nr.12 Satz 1 UStG) grundsätzlich verankerte Steuerbefreiung für die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ausdrücklich nicht für die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Hierzu ist wie folgt zu differenzieren:

  • Denkbar ist zum einen eine Auslegung dergestalt, dass das Gesamtentgelt in einen steuerfreien Teil „Vermietung des Gebäudes“ und einen umsatzsteuerpflichtigen Teil „Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen“ aufzuteilen ist. 
  • Andererseits könnte der Anwendungsbereich von Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL auf jene Fälle zu beschränken sein, die Vermietungen betreffen, die nicht im Zusammenhang mit Grundstücksüberlassungen stehen. Folgt man dieser Auslegung, d.h. der Einheitlichkeit der Leistung, würde die Mitvermietung von Vorrichtungen und Maschinen eine steuerfreie Nebenleistung darstellen. 

Grundlage des Vorlagebeschlusses ist die Vermietung von Stallgebäuden mit dauerhaft eingebauten Vorrichtungen und Maschinen zum Zwecke der Aufzucht von Geflügel. Die eingebauten Anlagen betreffen spezielle für die Aufzucht erforderliche Anlagen für die Tierfütterung, Sicherung des Stallklimas und der Beleuchtung.

Während die Finanzverwaltung der Auffassung ist, das Gesamtentgelt sei anhand der entstandenen Kosten in einen umsatzsteuerpflichtigen Teil für die Betriebsvorrichtungen und in einen umsatzsteuerfreien Teil für die Gebäudevermietung aufzuteilen, gingen die Steuerpflichtigen von einer einheitlichen steuerfreien Leistung aus. Das FG hat die Rechtsauffassung der Steuerpflichtigen in der ersten Instanz bestätigt.

Fraglich ist, ob die oben unter Abschn. 4.1 genannten Grundsätze zur Vermietung von Inventar auch auf die Vermietung von Betriebsvorrichtungen übertragbar sind, da es sich bei Inventargegenständen regelmäßig nicht um auf Dauer eingebaute Vorrichtungen und Maschinen handelt und ein eventuelles – sich aus Art 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL ergebendes – Aufteilungsgebot für Inventare nicht einschlägig ist.

Obwohl der EuGH sich bislang noch nicht ausdrücklich zu dieser Fragestellung zur Interpretation des Art. 135 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL geäußert hat, wird in der Literatur überwiegend damit gerechnet, dass die EuGH-Richter ein grundsätzliches Aufteilungsgebot verneinen werden. Im Ergebnis würde das bedeuten, dass nach den allgemeinen Grundsätzen zu prüfen ist, ob es sich um Haupt- oder Nebenleistungen handelt. 

Empfehlungen: Bis zu einer Entscheidung des EuGH lassen sich auf der Basis der bisher ergangenen Entscheidungen des BFH und der im Umsatzsteueranwendungserlass zusammengefassten Aussagen der Finanzverwaltung keine validen Empfehlungen treffen, inwieweit mitvermietete Betriebsvorrichtungen an der Umsatzsteuerbefreiung des vermieteten Gebäudes partizipieren. Dabei sollte jedoch beachtet werden, dass eine umsatzsteuerfreie Mitvermietung von Betriebsvorrichtungen im Hinblick auf die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht immer erwünscht sein kann. Es empfiehlt sich daher, entsprechende umsatzsteuerliche Festsetzungen verfahrensrechtlich ggf. offen zu halten. Das gilt auch für die vom EuGH bereits entschiedenen Sachverhalte (vgl. früheren Beitrag), in denen neben der steuerfreien Vermietung erbrachte Leistungen gemäß der EuGH-Auffassung umsatzsteuerpflichtige Hauptleistungen darstellen und ein Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit diesen Hauptleistungen begehrt wird.

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