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EuGH zwingt deutschen Gesetzgeber zur Neuregelung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs

Bisherige Rechtslage

Gewinne aus Anteilen an Kapitalgesellschaften sind bisher für Zwecke der Gewerbesteuer grundsätzlich von der Besteuerung auszunehmen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei stellt das Gewerbesteuergesetz an die Kürzung der Dividenden je nach Geschäftsleitung und Sitz der ausschüttenden Gesellschaft unterschiedliche Anforderungen. Während für Ausschüttungen einer inländischen Kapitalgesellschaft grob gesprochen lediglich eine Mindestbeteiligung von 15% des Stammkapitals gehalten und die Dividende Teil der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns sein muss, sind die Hürden für Tochtergesellschaften in Drittstaaten erheblich höher. Hier wird zusätzlich der Nachweis gefordert, dass die Bruttoerträge der Tochter- oder Enkelgesellschaft aus bestimmten „aktiven“, im Außensteuergesetz näher definierten Einkünften stammen.

EuGH-Urteil vom 20.09.2018

Vor diesem Hintergrund hatte der EuGH zu entscheiden, ob die oben skizzierte Regelung des sog. „internationalen Schachtelprivilegs“ in § 9 Nr. 7 GewStG gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV verstößt. Da die Kürzung von Gewinnanteilen aus Drittstaaten-Kapitalgesellschaften deutlich strengeren Bedingungen unterworfen ist, als diejenige für Dividenden aus dem Inland, könnte die Vorschrift geeignet sein, inländische Muttergesellschaften von Investitionen in Tochtergesellschaften mit Sitz im Drittland abzuhalten.

Im vorgelegten Fall hält die Klägerin, eine deutsche KGaA, über eine inländische GmbH, mit der sie zu einer ertragsteuerlichen Organschaft verbunden ist, eine 100%-Beteiligung an einer Limited in Australien. Die nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfreie Ausschüttung der Limited unterliegt bei der GmbH mit 5% der Erträge als pauschal nicht abzugsfähige Betriebsausgabe der Körperschaftsteuer. Darüber hinaus wurde der GmbH die gewerbesteuerliche Kürzung der von der Limited erhaltenen Dividende mit der Begründung versagt, dass diese weder eigene aktive Einkünfte erziele, noch durch aktive Enkelgesellschaften als begünstigte Funktions- oder Landesholding qualifiziert werden könne. Als "schlichte" Holdinggesellschaft erziele sie keine aktiven Einkünfte i. S. des gewerbesteuerlichen internationalen Schachtelprivilegs. Im Ergebnis hat das Finanzamt die Dividende in voller Höhe der Gewerbesteuer unterworfen.

Der EuGH hat mit dem Urteil C-658/16 vom 20.09.2018 entschieden, dass das gewerbesteuerliche internationale Schachtelprivileg nicht mit den Art. 63 bis 65 AEUV vereinbar ist. Insbesondere kann die sog. Stillhalteklausel, die eine Art Bestandsschutz für bereits vor dem 31.12.1993 existierende Regelungen gewährt, die EU-Rechtswidrigkeit nicht neutralisieren, da es zwischenzeitlich erhebliche Systemwechsel der Vorschrift gegeben hat. Auch andere Rechtfertigungsgründe für die Ungleichbehandlung von Dividenden aus inländischen und Drittstaaten-Kapitalgesellschaften konnte der EuGH nicht identifizieren.

Entscheidung von erheblicher Tragweite

Das besprochene Urteil und die mit Spannung erwarteten Reaktionen des Gesetzgebers werden erhebliche Auswirkungen auf die Praxis der inländischen Besteuerung von Dividenden aus Drittstaaten haben. Der EuGH bestätigt damit erneut, dass eine pauschale Missbrauchsvermutung ohne "Motivtest" den Ansprüchen der EU-Normen nicht Stand hält. Ob entsprechende Auslandsinvestitionen sich aus steuerlicher Sicht bald attraktiver gestalten werden, bleibt abzuwarten. So oder so sollten Steuerfestsetzungen, in denen die gewerbesteuerliche Kürzung von Dividenden aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 7 GewStG versagt wurde, angegriffen werden.

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