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Der Brexit und die Limited: Ende der Haftungsbeschränkung vermeidbar?

Durch den Austritt des Vereinigten Königreichs (UK) aus der EU am 31.1.2020 („Brexit“) hat sich der Druck auf die in deutschen Handelsregistern eingetragenen Limiteds (Ltds) weiter erhöht. Zwar haben die EU und UK im Austrittsabkommen vereinbart, dass in einer Übergangsphase bis zum 31.12.2020 das bisherige Recht weiterhin gilt. Nach Ablauf dieses Zeitraums können Ltds die auf EU-Recht basierende Niederlassungsfreiheit aber nicht mehr beanspruchen. Es besteht dann die Gefahr, dass Ltds in Deutschland nicht mehr anerkannt werden und die Gesellschafter gem. § 128 HGB persönlich haften.

Rechtslage vor dem Brexit und …

Die auf der EU-Niederlassungsfreiheit fußende Gründungstheorie bildete vor dem Brexit die rechtliche Grundlage für die Anerkennung der Ltd. mit Verwaltungssitz in Deutschland als rechtsfähige und haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft. Nach der Gründungstheorie ist deutsches Gesellschaftsrecht auf diese Gesellschaften nicht anwendbar; dies betrifft insbesondere die Anforderungen an die Gründung einer Kapitalgesellschaft und hierbei an die Eintragung in das Handelsregister.

Hinweis: Zwar ist die Zahl der Ltds in deutschen Handelsregistern bereits vor dem sich abzeichnenden Brexit kontinuierlich zurückgegangen, doch waren es zum 1.1.2019 immerhin noch ca. 6.500.

… nach der Übergangsphase

Die Folgen für Ltds mit Verwaltungssitz in Deutschland hängen ab dem 1.1.2021 maßgeblich davon ab, ob zwischen Großbritannien und der EU ein umfassendes Abkommen geschlossen und was dessen Inhalt sein wird.

Deutsche Perspektive: Kein Bestandsschutz …

Nur vereinzelt wird in der juristischen Literatur davon ausgegangen, dass sich Ltds auch nach dem Brexit noch auf die Niederlassungsfreiheit berufen können, ggf. mit dem Argument, dass diese an die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften anknüpft. Weiter verbreitet sind im Schrifttum Überlegungen, Ltds für eine gewisse Zeit Bestandsschutz zu gewähren. Ob das aber auch nach Ablauf der Übergangsphase gelten kann, ist fraglich, da diese den betroffenen Ltds ja die Möglichkeit zum Tätigwerden gibt. Zudem hat sich der deutsche Gesetzgeber mit der Schaffung des § 122m UmwG deutlich gegen eine weitere Schonfrist positioniert (in der Ausgabe 3/2019 haben wir bereits ausführlich über die neuen Vorschriften des Umwandlungsgesetzes berichtet).

… sondern Anwendung der Sitztheorie …

Nach der überwiegend vertretenen Auffassung ist auf Ltds unmittelbar die von der deutschen Rechtsprechung für Auslandsgesellschaften aus Drittstaaten entwickelte Sitztheorie anzuwenden, wenn sich diese nicht mehr auf die Niederlassungsfreiheit beziehen können. Nach der Sitztheorie ist der Sitz der Verwaltung einer Gesellschaft für das auf sie anwendbare Recht ausschlaggebend. Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH würde das dazu führen, dass eine Ltd. nicht mehr als Kapitalgesellschaft betrachtet würde. Stattdessen würde eine Ltd. entweder als offene Handelsgesellschaft (OHG) behandelt, wenn sie ein Handelsgewerbe betreibt, oder andernfalls als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sollte die Ltd. nur über einen Gesellschafter verfügen, wäre sie als Einzelunternehmen im Wege der Universalsukzession zu sehen.

… mit der Folge des Wegfalls der Haftungsbeschränkung nach englischem Recht und …

Die Gesellschafter der Ltd. könnten sich nicht mehr auf die nach englischem Recht vorgesehene Haftungsbeschränkung berufen und haften analog § 128 HGB persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft bzw. werden infolge der Universalsukzession unmittelbar deren Schuldner. Bisher ungeklärt ist die Frage, ob dies auch für Altverbindlichkeiten gilt oder nur für solche, die nach dem Rechtsformwechsel entstanden sind.

… weiterem Klärungsbedarf

Außerdem werden ehemalige Direktoren der Ltd., die nicht selbst Gesellschafter sind, nach dem automatischen Rechtsformwechsel nicht mehr zur Vertretung der entstehenden Personengesellschaft berechtigt sein, wenn ihnen keine entsprechende Vollmacht erteilt wird. Ferner ist bisher nicht abschließend geklärt, ob der Formwechsel in eine Personengesellschaft und der Vermögensübergang auf den Alleingesellschafter nicht zu einer Aufdeckung der stillen Reserven der vormaligen Ltd. führen.

Englische Perspektive

Die Anwendung der deutschen Sitztheorie und der damit einhergehenden Rechtsänderungen in Deutschland hätten aus englischer Sicht keine Folgen für das Bestehen der Ltd. Nach der für nach englischem Recht geltenden Gründungstheorie besteht die Ltd. als haftungsbeschränkte Kapitalgesellschaft fort.

Hinweis: Folglich fallen ggf. die Rechtsfolgen nach deutschem und englischem Recht auseinander.

Problemvermeidung durch grenzüberschreitende Verschmelzung noch im Übergangszeitraum

Eine Möglichkeit, die negativen Folgen des Brexit für eine Ltd. zu verhindern, kann noch in der Übergangsphase, also mindestens bis zum 31.12.2020, genutzt werden. Wie schon bisher kann eine Ltd. grenzüberschreitend auf eine deutsche Gesellschaft verschmolzen werden. Sowohl in Deutschland gem. §§ 122a ff. UmwG als auch im Vereinigten Königreich nach den UK Companies (Cross-Border Mergers) Regulations 2007 bestehen dafür Rechtsgrundlagen; europarechtlich ist ein solches Vorhaben ebenfalls anerkannt (vgl. EuGH, Urteil vom 13.12.2005, Rs. C-411/03, SEVIC Systems AG).

Hinweis: Die angesprochenen Verschmelzungsvorhaben benötigen erfahrungsgemäß ca. drei Monate, daher besteht jetzt sehr dringender Handlungsbedarf, um die Übergangsphase für entsprechende Maßnahmen noch nutzen zu können.

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