Carve-Outs – Aktives Portfoliomanagement im Wege der Abspaltung eines Geschäftsbereichs
Zur Ökonomik von Desinvestitionen
In der Finanzierungs und Kapitalmarkttheorie wird ganz überwiegend die Maximierung des Shareholder Value (also der Anteilseigner-Werte) als dominierende Zielsetzung verwendet. Auch in der (deutschsprachigen) Praxis ist seit vielen Jahren die Orientierung am Investoreninteresse bei unternehmerischen Entscheidungen deutlich gestiegen. Das äußert sich im Sinne eines aktiven Portfoliomanagements bzw. einer bereinigung konkret häufig in der funktionellen sowie rechtlichen Abspaltung eines (nicht notwendigerweise) defizitären Geschäftsbereichs.
Dabei ist eine Entwicklung zu beobachten, die an die ökonomische Ratio der „Sum-of-the-Parts“-Theorie anknüpft. Hiernach versuchen „aktivistische Investoren“, diversifizierte Industriekonglomerate durch Restrukturierung neu auszurichten; beabsichtigt ist in solchen Fällen, einen „Breakup Value“ zu realisieren sowie den „Conglomerate Discount“ (Konglomerats-Abschlag) abzuschwächen bzw. zu eliminieren. Hierbei sind unter dem „Breakup Value“ die durch Desinvestition freigesetzten Wertschöpfungsbeiträge zu verstehen. Der „Conglomerate Discount“ lässt sich durch den Vergleich des Börsenwerts des Unternehmens mit dem sog. intrinsischen (wahren) Wert der Geschäftsbereiche berechnen und mittels des „Breakup Value“ eliminieren.
Die Höhe des intrinsischen Werts einer Unternehmung bzw. eines Assets wird abgeleitet aus dessen Fähigkeit, (zukünftig) Cashflows zu erwirtschaften. Dabei bestimmt sich der Wert einer Unternehmung aus
- der Analyse seiner Fundamentaldaten,
- der absoluten Höhe und dem Wachstum der Cashflows sowie
- dem Risiko, das zu deren Erzielung eingegangen werden muss.
Dem steht der aktuelle Börsenwert gegenüber, der als der Wert sämtlicher Aktien definiert ist. Dabei leitet sich der Börsenkurs bzw. der Preis einer Aktie grundsätzlich aus Angebot und Nachfrage ab und steht damit in Abhängigkeit jeweils herrschender Marktstimmungen. Hier entsteht in aller Regel eine – nicht selten beträchtliche – Differenz zwischen dem Börsenwert und dem intrinsischen Wert einer Unternehmung.
Bei den „aktivistischen Investoren“ handelt es sich um Investoren, die unter Infragestellung der strategischen Ausrichtung des betreffenden Unternehmens Transformationsprozesse anstoßen – häufig auch gegen den erklärten Willen des aktuellen Managements. Als unterbewertet werden dabei Unternehmen eingestuft, die eine Wertlücke aufweisen, die in der Differenz zwischen dem Börsenwert und dem intrinsischen Wert besteht.
Zielerreichung über Carve-Outs
Als primäre Ziele einer Desinvestition sind
- die Fokussierung auf das Kerngeschäft oder
- eine strategische (Neu)-Ausrichtung des Geschäftsportfolios aufgrund von Marktveränderungen des veräußernden Unternehmens oder
- die kurzfristige Beschaffung finanzieller Mittel
zu nennen. Allen Motiven gemein ist das Bestreben, den eingangs erwähnten Shareholder Value zu steigern. Hierfür können ein Carve-Out und die anschließende Desinvestition z.B. sinnvoll sein, wenn ein Geschäftsbereich nicht die von den Eigentümern oder dem Vorstand geforderte Verzinsung auf das eingesetzte Kapital generiert.
Praxisbeispiel: Eine der größten M&A-Transaktionen der letzten Jahre waren der Carve-Out und der darauffolgende Verkauf der Aufzugsparte der ThyssenKrupp AG an ein Private-Equity-Konsortium.
Derartige Transaktionen zeigen, dass einzelne Geschäftsbereiche für sich genommen werthaltiger sind bzw. höher bewertet werden als aus der Gesamtperspektive ableitbar; das bedeutet insbesondere auch, dass die Summe der Teile bzw. Geschäftsbereiche („Sum-of-the-Parts“) in solchen Fällen i.d.R. bewertungstechnisch größer ist als der Gesamtkonzern-Wert.
Fazit und Ausblick: Über Desinvestitionen können in einer wirtschaftlich angespannten Lage sowohl neue liquide Mittel generiert als auch die Geschäftsstrukturen strategisch neu ausgerichtet werden. Mit Carve-Outs verfügt die Unternehmenspraxis über ein Instrument, das insbesondere dafür geeignet ist, Unternehmensbereiche in anderer Umgebung zu revitalisieren. Im nächsten Heft werden für die besonders relevanten Ausprägungen Spin Off und Equity Carve-Out die Erfolgsfaktoren in der Praxisumsetzung herausgearbeitet.