Das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung (MHKBD) hat mit Schreiben vom 9. März 2023 zur Bilanzierung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens unter Berücksichtigung der zirkulären Wertschöpfungskette / cradle-to-cradle Stellung genommen.
Anlass ist, dass Kommunen bei der Umsetzung von Infrastrukturprojekten zunehmend auf die zirkuläre Wertschöpfungskette / cradle-to-cradle setzen. Unter der zirkulären Wertschöpfungskette wird ein System verstanden, das restaurativ und regenerativ arbeitet. Es vermeidet bzw. verwertet Abfälle, indem es Materialien, Produkte, Systeme sowie Geschäftsmodelle ganzheitlich gestaltet. Das übergeordnete Ziel ist es, Materialien und Produkte im Kreislauf zu führen, was durch wirtschaftlich und ökologisch effiziente Stoff-, Energie-, Arbeits- und Informationsflüsse erreicht werden soll.
Zugangsbewertung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens
In dem Konzept der zirkulären Wertschöpfung werden bereits bei der Planung einer baulichen Anlage eine veränderte Nutzung, eine Nachnutzung und der Rückbau berücksichtigt. Die Anlage wird als sog. „Materialbank“ geplant, was bedeutet, dass die Materialien einen Restwert haben.
Nach dem Schreiben des MHKBD ist ein solcher Restwert bei der Bilanzierung von Vermögensgegenständen des Anlagevermögens zu berücksichtigen. Begründet wird dies mit der handelsrechtlichen Regelung, wonach ein Schrottwert unter bestimmten Voraussetzungen wie bspw. ausreichende Sicherheit und erhebliche Bedeutung, bei der Festlegung des Abschreibungsplans zu berücksichtigen ist.
Bei der Zugangsbewertung sollen die Anschaffungs- / Herstellungskosten „zunächst um diesen Restwert gekürzt“ und der verbleibende Restbetrag über die Nutzungsdauer abgeschrieben werden. Am Ende der geplanten Nutzungsdauer verbleibt dann der Restwert als Buchwert des Vermögensgegenstandes. Dies bedeutet, dass natürlich nicht die Anschaffungs- / Herstellungskosten um den Restwert gekürzt werden, sondern die Bemessungsgrundlage für die planmäßigen Abschreibungen. Die Anschaffungs- / Herstellungskosten müssen in voller Höhe als Zugang im Anlagevermögen aktiviert werden. Insofern sind die Ausführungen in dem Schreiben des MHKBD, dass sich „ein geringerer Aktivierungsbetrag ergibt“ irreführend.
Über die Nutzungsdauer des Vermögensgegenstandes wird das kommunale Ergebnis aufgrund der geringeren Abschreibungsbeträge geringer belastet.
Die Bewertung unter Berücksichtigung der zirkulären Wertschöpfungskette ist nachvollziehbar zu dokumentieren.
Folgebewertung
Zur Folgebewertung führt das MHKBD aus, dass die Festlegung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer nach der Abschreibungstabelle für Kommunen vorzunehmen ist. Die eigentliche Folgebewertung hat dann „wie üblich“, also planmäßig zu erfolgen.
Fragen der praktischen Umsetzung
Die Bemessung des Restwertes bei langlebigen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens im Zugangszeitpunkt dürfte mit hoher Unsicherheit behaftet sein, sodass fraglich ist, ob der Restwert mit ausreichender Sicherheit in der geschätzten Höhe entstehen wird. Solange es keine Vorgaben für die Ermittlung des Restwertes gibt, besteht grundsätzlich ein großer bilanzpolitischer Spielraum für die Kommunen.
Auch ist unklar, wie mit Wertveränderungen des Restwertes während der Lebensdauer des Vermögensgegenstandes umzugehen ist. Da die Abschreibungen unter Berücksichtigung des Restwertes planmäßig erfolgen, ist eine Änderung des Abschreibungsplans als Ausnahme vom Grundsatz der Bewertungsstetigkeit nur in begründeten Ausnahmefällen zulässig.
Fraglich ist auch, was mit dem Restbetrag nach Ablauf der Nutzungsdauer passieren wird. Wird dieser dann auf einen neuen Vermögensgegenstand übertragen oder wird ein neuer Vermögensgegenstand zu dem Restbetrag hinzuaktiviert und dann über eine „zweite Nutzungsdauer“ abgeschrieben?
Weiterhin findet sich in dem Schreiben des MHKBD kein Hinweis darauf, ab wann die Neuregelung anzuwenden ist.