13.07.2024 / Artikel aus PKF Nachrichten 07-08/2024
von Daniel Scheffbuch / Luca Gallus / Christina Schultz

Mit den seit geraumer Zeit steigenden Insolvenzzahlen stellt sich immer häufiger die Frage, wie eine GmbH, die ohne festgelegtes Enddatum gegründet wurde, aufgelöst werden kann und welche Besteuerungswirkungen insoweit entstehen. Die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen vorzunehmende Auflösung führt nicht direkt zum Erlöschen der GmbH, sondern beendet lediglich deren operative Geschäftstätigkeit. Nach der Auflösung beginnt das Liquidationsverfahren. Im Folgenden soll zunächst anhand eines konkreten Fallbeispiels beschrieben werden, wie eine Liquidation typischerweise abläuft. In einem zweiten Teil wird dann genauer beleuchtet, inwiefern die Liquidation besteuert wird und welche Auswirkungen eine Liquidation für die Gesellschafter mit sich bringt.

Case Study

Im nachfolgend skizzierten Fallbeispiel betreibt die K GmbH einen Online-Lebensmittelhandel. Das Geschäftsjahr entspricht dem Kalenderjahr. Ungeachtet aller Bemühungen konnten auch nach über einem Jahr nicht ausreichend Kunden gewonnen werden und die Absatzzahlen blieben hinter den Erwartungen zurück. Der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer S entscheidet sich daher, die Gesellschaft zu liquidieren. Der dafür erforderliche Gesellschafterbeschluss wird am 28.2.2023 gefasst. Die Eintragsbekanntmachung der Auflösung in das Handelsregister wird am 24.3.2023 vorgenommen. 

Zur Abwicklung der Gesellschaft werden die Gläubiger mittels einer Veröffentlichung im Bundesanzeiger aufgefordert, sich bei der K GmbH zu melden. Nach einer Identifizierung und Bewertung aller Vermögensgegenstände und Schulden kann am 26.4.2023 der Gläubigeraufruf erfolgen. Am 3.5.2024 wird die Liquidation abgeschlossen.

Ablauf der Liquidation 

Auflösung 

Beschluss über Auflösung 

Die Auflösung bezeichnet einen Prozess, durch den eine Gesellschaft von ihrer werbenden Tätigkeit in die Phase übergeht, in der sie ihre Geschäfte abwickelt, um ihre Existenz zu beenden.

Während das GmbHG unterschiedlichste Auflösungsgründe vorsieht, wurde in dem zugrundeliegenden Fall die Gesellschaft mit dem von S herbeigeführten Gesellschafterbeschluss am 28.2.2023 aufgelöst. Ein solcher Beschluss erfordert eine Dreiviertelmehrheit, sofern der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung enthält. Dieser Beschluss führt zu keiner Änderung der Satzung, was den Vorteil mit sich bringt, dass dieser weder einer besonderen Form noch einer Begründung bzw. Rechtfertigung bedarf. Der Auflösungsbeschluss bewirkt die Auflösung der Gesellschaft zum festgelegten Zeitpunkt, hier dem 28.2.2023. 

Anmeldung der Auflösung zur Eintragung ins Handelsregister 

Die Auflösung der Gesellschaft muss zudem in notariell beglaubigter Form zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden (§ 65 GmbHG). Die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft (sei es ein Liquidator oder ein Geschäftsführer) sind für die Anmeldung verantwortlich. Mangels abweichendem Gesellschafterbeschluss wurde S als bisheriger Geschäftsführer automatisch zum Liquidator. Dieses Amt wird bis zur Löschung im Handelsregister ausgeübt.

Im vorliegenden Fall datiert die Eintragungsbekanntmachung für die Änderungen im Handelsregister vom 24.3.2023. Entsprechend sind aus dem Handelsregister-Auszug folgende Veränderungen ersichtlich: S ist nicht mehr Geschäftsführer, sondern Liquidator. Im Handelsregisterauszug wird vermerkt, dass die Gesellschaft aufgelöst ist. Ab diesem Zeitpunkt hat die K GmbH den Zusatz „in Liquidation“ oder „i.L.“ im Geschäftsverkehr zu führen. Die Handelsregisteranmeldung hat aber lediglich deklaratorische Wirkung und sie hat damit weder Einfluss auf den Zeitpunkt des Auflösungsbeschlusses (28.2.2023) noch auf den Gläubigeraufruf (26.4.2023) und die Abwicklung der Vermögensgegenstände. 

Abwicklung 

Erstes Rumpfgeschäftsjahr und Liquidationseröffnungsbilanz 

Da mit dem Tag der Auflösung nach h.M. „automatisch“ und ohne Beschluss ein neues Geschäftsjahr beginnt, entsteht bei einer unterjährigen Auflösung für den Zeitraum vor der Auflösung ein (erstes) Rumpfgeschäftsjahr. Dieses läuft im vorliegenden Fall von dem Beginn des bisherigen Geschäftsjahres bis zu dem Tag, der dem Auflösungsbeschluss vorangeht, also vom 1.1.2023 - 27.2.2023. Für dieses Rumpfgeschäftsjahr ist ein Jahresabschluss mit einer Schlussbilanz zu erstellen, für den die allgemeinen Vorschriften gelten. Dieser letzte Jahresabschluss der werbenden Gesellschaft (mit Stichtag 27.2.2023) ist offenzulegen.

Auf den Tag, an dem die Auflösung beschlossen wird (hier: 28.2.2023), ist eine Liquidationseröffnungsbilanz aufzustellen und ebenfalls offenzulegen. 

Bekanntmachung der Auflösung im Bundesanzeiger

Durch den Gläubigeraufruf sollen die Gläubiger von der Auflösung unterrichtet werden. Mit der Bekanntmachung sind die Gläubiger zugleich aufzufordern, sich bei der Gesellschaft zu melden. Besondere Bedeutung hat die Veröffentlichung der Auflösung, weil erst mit der Bekanntmachung das Sperrjahr zu laufen beginnt (§ 73 Abs. 1 GmbHG). Das bedeutet, dass die Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter nicht vor Ablauf eines Jahres seit dem Tag vorgenommen werden darf, an dem die Aufforderung an die Gläubiger der Gesellschaft, sich zu melden, in den öffentlichen Blättern erfolgt ist. 

Im Falle der K GmbH erfolgte die Gesellschafterbekanntmachung im Bundesanzeiger am 26.4.2023. Insofern beginnt das Sperrjahr ab diesem Zeitpunkt zu laufen. Dieser Tag hat keine Relevanz für etwaige Bilanzen.

Schlussverteilung und Sperrjahr

Während der Dauer des Sperrjahres, d.h. bis zum 26.4.2024, ist jede Vermögensverteilung an die Gesellschafter verboten. Das bedeutet, dass nur Forderungen von Drittgläubigern aus Drittgeschäften beglichen werden dürfen. Eine Rangordnung unter den Gläubigern besteht nicht. 

Bestand und Fälligkeit der Verbindlichkeiten werden durch das Sperrjahr nicht berührt. Die Ansprüche der Gläubiger bestehen nach allgemeinen Regeln fort. Das Sperrjahr ist keine Ausschlussfrist. 
Auch nach Ablauf des Sperrjahres können Ansprüche gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden. Das Schicksal der Ansprüche hängt jedoch entscheidend davon ab, ob der jeweilige Gläubiger während des Sperrjahres bekannt wurde oder unbekannt blieb.

Solange nach Ablauf des Sperrjahres (d.h. ab 27.4.2024) noch Gesellschaftsvermögen vorhanden ist, können sich auch bislang unbekannte Gläubiger bei der Gesellschaft melden und ihre Forderungen zu befriedigen versuchen. Ist das Vermögen dagegen bereits verteilt, gehen diese Gläubiger leer aus. Bekannte Gläubiger sind dagegen auch nach Ablauf des Sperrjahres immer zu berücksichtigen. Meldet sich ein bekannter Gläubiger nicht, so ist der geschuldete Betrag ggf. zu hinterlegen oder Sicherheit zu leisten (vgl. § 73 Abs. 2 GmbHG).

Zweites Rumpfgeschäftsjahr und Liquidationsschlussbilanz

Nach dem ersten Rumpfgeschäftsjahr beginnt ein vom Kalenderjahr abweichendes Geschäftsjahr. Im vorliegenden Fall geht das neue Geschäftsjahr der K GmbH vom 28.2.2023 bis zum 27.2.2024, für welches ein „normaler“ Jahresabschluss aufzustellen ist. Auch dieser erste Jahresabschluss in Liquidation ist offenzulegen. 

Bis zum endgültigen Abschluss der Liquidation ist ein erneuter Jahresabschluss für ein zweites Rumpfgeschäftsjahr zu erstellen. Stichtag des Endes dieses Geschäftsjahres ist der Tag, an dem die Liquidation abgeschlossen ist. Wie eingangs erwähnt, wird die Liquidation der K GmbH nach Ablauf des Sperrjahrs zum 3.5.2024 abgeschlossen. Daraus folgt ein abschließendes Rumpfgeschäftsjahr vom 28.2.2024 bis zum 3.5.2024. Auf den Stichtag 3.5.2024 ist eine Liquidationsschlussbilanz aufzustellen und offenzulegen, die nach Beendigung des Liquidationsverfahrens die endgültige Verteilung der Vermögenswerte und Schulden des Unternehmens zeigen soll.

Grundsätzlich gelten für Kleinstkapitalgesellschaften, die sich in Liquidation befinden, dieselben Regelungen wie für Kleinstkapitalgesellschaften im Allgemeinen, die von der Erstellung eines Anhangs und eines Lageberichts befreit sind (§ 267a HGB). Daraus folgt, dass für diese Gesellschaften im Jahresabschluss die Umstände und Fortschritte der Liquidation nicht beschrieben werden müssen. 

Löschung 

Die Liquidation ist beendet, wenn keine Abwicklungsmaßnahmen mehr erforderlich sind. Die Beendigung des Abwicklungsverfahrens ist Voraussetzung für die Anmeldung des Erlöschens der Gesellschaft im Handelsregister und damit grundsätzlich auch der Vollbeendigung der GmbH als Rechtsträgerin. 

Die Gesellschaft ist gem. § 74 Abs. 1 GmbHG dann vollbeendet, wenn die Beendigung der Liquidation und die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen sind. Die vollbeendete Gesellschaft hört damit auf zu existieren.

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