Das BMF hat am 20. März 2023 einen Diskussionsentwurf für ein Gesetz veröffentlicht, mit dem ein Mindeststeuergesetz (MinStG) eingeführt werden soll. Mit diesem Gesetz sollen die Regelungen der OECD/G20-Initiative zu einer globalen Mindeststeuer in Höhe von 15 % („Pillar Two“), welche sich in der EU-Mindestbesteuerungsrichtlinie 2022 niedergeschlagen haben, in deutsches Recht umgesetzt werden. Bis zum 21. April 2023 besteht die Möglichkeit, zum Diskussionsentwurf Stellung zu nehmen, sodass die dabei gewonnenen Erkenntnisse noch im danach zu erwartenden Referentenentwurf berücksichtigt werden können. Das parlamentarische Verfahren soll nach der Sommerpause beginnen und spätestens im Dezember abgeschlossen sein, da die EU-Richtlinie bis Ende 2023 in innerstaatliches Recht zu transformieren ist.
Hintergrund und wesentliche Elemente der Mindestbesteuerung
Politisches Ziel der dem Gesetz zugrundeliegenden OECD/G20-Bestrebungen ist es, mittels der Mindestbesteuerung in Höhe von 15 % auf die weltweiten handelsrechtlichen Gewinne eines Unternehmens bzw. einer Unternehmensgruppe ein als schädlich empfundenes internationales Steuergefälle zu bekämpfen. Die globale Mindestbesteuerung beschränkt sich dabei auf große Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen mit (konsolidierten) Umsätzen von mindestens 750 Mio. EUR. Diese Grenze entspricht damit derjenigen, ab der multinationale Unternehmensgruppen einen länderbezogenen Bericht (Country by Country-Reporting -- CbCR) erstellen und an die Finanzverwaltung übermitteln müssen.
Das erwähnte Ziel soll im Wesentlichen durch folgende drei Ausprägungen einer neuartigen Ergänzungssteuer (top-up tax) erreicht werden:
- Auf höchstmöglicher Ebene innerhalb einer Unternehmensgruppe, im Idealfall also auf Ebene der Muttergesellschaft (ultimate parent entity - UPE), wird eine Primärergänzungssteuer (PES) erhoben, mittels derer die Steuerbelastung der entsprechenden Geschäftseinheit sowie ihr nachgeordneter Geschäftseinheiten, die bei staatenweiser Betrachtung einer niedrigeren Besteuerung als 15 % unterliegen, auf ein Niveau von 15 % angehoben wird.
- Für diejenigen Fälle, in welchen die Primärergänzungssteuer nicht oder nicht ausreichend greift (z. B. weil die Konzernspitze in einem ausländischen Staat ohne Regelungen zur globalen Mindeststeuer beheimatet ist), wird hilfsweise eine Sekundärergänzungssteuer (SES) eingeführt, um die fiskalpolitisch gewünschte Mindeststeuerbelastung sicherzustellen.
- Auf den Gewinn im jeweiligen Inland beheimateter Geschäftseinheiten darf ein Staat schließlich eine nationale Ergänzungssteuer (NES) einführen, die bei der Ermittlung der oben erwähnten Ergänzungssteuern berücksichtigt wird. Eine Vielzahl von Staaten plant, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.
Wesentlicher Inhalt des MinStG-Entwurfs
Materielles Steuerrecht
Steuersubjekte der Mindeststeuer sind im Inland belegene Geschäftseinheiten, die zu einer Unternehmensgruppe mit mindestens 750 Mio. EUR (konsolidiertem) Umsatz gehören. Als Geschäftseinheiten sind dabei auch Betriebsstätten anzusehen. Anders als die OECD/G20-Initiative, erfassen die EU-Richtlinie und demzufolge auch der MinStG-Entwurf dabei nicht nur multinationale, sondern auch rein innerstaatliche Unternehmensgruppen.
Steuerobjekt ist der jeweils für die Primärergänzungssteuer, Sekundärergänzungssteuer bzw. nationalen Ergänzungssteuer relevante Gewinn, soweit er einer niedrigen effektiven Steuerbelastung unterliegt. Hierbei gilt:
- Als Mindeststeuer-Gewinn wird auf den mittels verschiedener Anpassungen (z. B. Abzug bestimmter erhaltener Dividenden) veränderte Jahresüberschuss/-fehlbetrag abgestellt, wie er sich grundsätzlich aus der sog. „GuV II“ als der für Zwecke der Konsolidierung vereinheitlichten GuV unter Beachtung der für die Konzernspitze relevanten handelsrechtlichen Rechnungslegungsstandards ergibt. Je nach Ansässigkeit der Konzernspitze können folglich unterschiedliche Rechnungslegungsvorschriften wie etwa das deutsche HGB, die IFRS, oder ausländische Vorschriften (US-GAAP etc.) zu beachten sein.
- Die für die Berechnung der effektiven Steuerbelastung relevanten angepassten erfassten Steuern werden ausgehend von den in der o. g. GuV II erfassten laufenden Steuern (einschließlich latenter Steuern) ermittelt, indem diese Größe um diverser Hinzurechnungen und Kürzungen modifiziert wird.
Sofern innerhalb einer Unternehmensgruppe mehrere inländische Geschäftseinheiten bestehen, bilden diese gemeinschaftlich eine Mindeststeuergruppe, für die nur die Spitzeneinheit (Gruppenträger) Steuerschuldner ist, für dessen Steuerschulden aus der Mindeststeuer allerdings die übrigen Gruppeneinheiten gesamtschuldnerisch haften.
In Übereinstimmung mit den Überlegungen der OECD zu permanenten oder übergangsweisen Ausnahmen sieht der Diskussionsentwurf verschiedene Regelungen vor:
- De-minimis safe-harbour: Auf Antrag wird der Steuererhöhungsbetrag (außer für „staatenlose Geschäftseinheiten“ und Investmenteinheiten) für ein Steuerhoheitsgebiet auf null festgesetzt, wenn der dortige Mindeststeuer-Umsatz unter 10 Mio. EUR und der dortige Mindeststeuer-Gewinn/-Verlust unter 1 Mio. EUR (je im dreijährigen Durchschnitt) liegt.
- Safe-harbour bei anerkannter nationaler Ergänzungssteuer: Soweit für das betreffende Geschäftsjahr eine anerkannte nationale Ergänzungssteuer in Übereinstimmung mit einem anerkannten Rechnungslegungsstandard der obersten Muttergesellschaft oder auf Grundlage von IFRS erhoben wird, wird ein Steuererhöhungsbetrag von null festgesetzt.
- Safe-harbour bei untergeordneter internationaler Tätigkeit: Eine Unternehmensgruppe wird in den ersten fünf Jahren von der Mindeststeuer befreit, wenn im Ausland Vermögen mit Buchwerten von höchstens 50 Mio. EUR vorliegt und sich ihre Tätigkeit auf nicht mehr als sechs Staaten erstreckt.
- CbCR-safe-harbour: Auf Antrag wird ein Steuererhöhungsbetrag von null für Geschäftsjahre festgesetzt, welche vor dem 1. Januar 2027 beginnen und vor dem 1. Juli 2028 enden, wenn
- die Unternehmensgruppe im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet unter 10 Mio. EUR Umsatz und unter 1 Mio. EUR Mindeststeuer-Gewinn-/-Verlust hat
- die Unternehmensgruppe im jeweiligen Steuerhoheitsgebiet bestimmte, vereinfacht berechnete effektive Mindeststeuerbelastungen erreicht oder
- die Unternehmensgruppe in ihrem CbCR für das jeweilige Steuerhoheitsgebiet Gewinne nur in bestimmter Höhe ausweist.
Besteuerungsverfahren
Die Mindeststeuer entsteht mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das betreffende Geschäftsjahr endet. Das Verfahren beinhaltet dabei zwei wesentliche Elemente.
Grundsätzlich hat die oberste Muttergesellschaft elektronisch und innerhalb von 15 Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahrs einen Mindeststeuer-Bericht an das BZSt zu übermitteln. Dieser beinhaltet u. a. eine nach Steuerhoheitsgebieten gegliederte Auflistung aller Geschäftseinheiten und deren mindeststeuerlicher Qualifikation, eine Übersicht über die Konzernstruktur sowie die nötigen Angaben zur Berechnung u. a. des effektiven Steuersatzes für jedes Steuerhoheitsgebiet und der Ergänzungssteuerbeträge für jede Geschäftseinheit.
Weiter haben die Steuerpflichtigen für das Kalenderjahr eine Steuererklärung auf elektronischem Wege abzugeben und darin die Mindeststeuer selbst zu berechnen (Steueranmeldung). Die Mindeststeuer ist dann innerhalb eines Monats nach Abgabe der Steuererklärung, bei abweichender Festsetzung einen Monat nach Zugang des Steuerbescheids fällig.
Erstmalige Anwendung
Das MinStG soll grundsätzlich erstmals für nach dem 30. Dezember 2023 beginnende Geschäftsjahre anzuwenden sein; die Regelungen zur Sekundärergänzungssteuer jedoch erstmals für Geschäftsjahre, die nach dem 30. Dezember 2024 beginnen.
Ausgewählte Handlungsempfehlungen
Soweit nicht bereits geschehen, sollten Sie kurzfristig analysieren, inwieweit Ihre Unternehmensgruppe voraussichtlich von der Mindeststeuer betroffen sein wird. Hierbei sind nicht nur die deutschen geplanten Regelungen zu beachten, sondern ebenso diejenigen in anderen Staaten innerhalb oder außerhalb der EU. Da sich die entsprechenden Regelungen gegenwärtig in vielen Staaten ähnlich wie in Deutschland noch in der Entwicklung befinden und auch auf Ebene der OECD/G20 Bewegung z. B. im Hinblick auf flankierende DBA-Regelungen herrscht, dürfen diese Überlegungen zudem nicht allein statisch erfolgen, sondern müssen auch die weitere Evolution im Auge behalten. Im Zuge dieser Betroffenheitsanalyse sollte - sofern möglich - auch bereits abgeschätzt werden, inwieweit von den o. g. safe harbours Gebrauch gemacht werden kann.
Sofern die Mindeststeuer in Deutschland oder anderen Staaten für Ihre Unternehmensgruppe ein Thema ist, sollten Sie weiter rechtzeitig die weiteren Schritte einleiten, um die nötigen Daten insbesondere für einen Mindeststeuer-Bericht ermitteln zu können: Wenngleich aufgrund der schnell voranschreitenden politischen und regulatorischen Entwicklungen noch zahlreiche Detailfragen nicht hinreichend geklärt sind, so steht doch bereits fest, dass die komplexen Regelungen vielfach die Generierung und Erhebung umfangreiche Daten nötig machen werden. Hierzu wird es z.B. entsprechender Vorbereitungen u. a. in der EDV der Unternehmensgruppe bedürfen.